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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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den Kopf nach ihr und brummten. »Ich komme, Olsch«, sagte sie, aber sie kam nicht. Morgen vormittag würde der junge Arzt wieder hiersein, doch sie würde ihn nicht sehen dürfen, dafür würde Schlieker schon sorgen. Der Professor würde nach ihr fragen und würde weitergeschickt werden, auf falscher Spur. Blieben noch die Kinder – aber sie schüttelte den Kopf. An einem verletzten Philipp war es genug, insoweit hatte Herr Amtsgerichtsrat Schulz bestimmt recht.
    Die Pferde wieherten und kratzten. Sie schlug gedankenlos die Futterkiste auf, tat Häcksel in die Schwinge, dann Hafer und schüttete Futter. Ebenso gedankenlos setzte sie sich unter eine Kuh und fing an zu melken. Endlos lange Zeit verging, die Milch stand in zwei Eimern auf dem Futtergang, aber niemand kam. Nein, sie wollte nicht rufen, trotzdem es jetzt schon ganz dunkel war.
    Sie trat unter das Fenster, aus diesem Fenster hatte Frau Mali auf den See hinausgeschrien, dann waren die Anfälle wieder gekommen. In gewissem Sinn war sie, Rosemarie, daran schuld. In dieser verzagten Stunde war sie geneigt, sich selbst alle Schuld an allem zuzuerkennen. Alles war dumm, schlecht, töricht, was sie getan hatte.
    Drunten, unter dem Fenster, raschelte es, dann jaulte es leise. Sie wußte sofort, was es war. »Bello«, rief sie halblaut und: »Hütefritz!«
    »Bist du da, Rosemarie?« flüsterte er. »Hat er dich eingesperrt?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Warum bist du wieder zu ihm gelaufen?« schalt der Junge grimmig. »Hat der feine Affe im Auto dich beredet? Nun sitzt du da – und er ist nobel zurückgetöfft.«
    »Ach, Fritze …«, sagte sie schwach.
    »Und der andere, dein alter Professor, ist auch nicht besser«, schalt der Junge weiter. »Maxe hat es eben von der Bahn mitgebracht: Abgefahren nach Berlin …«
    »Der Professor, Fritze –?«
    »Wer denn sonst?! Schreischulze hat ihn selbst in den Zug gesetzt. Und nicht mal Geld für die Fahrkarte hat der feine Herr gehabt – großartige Freunde sind das!«
    »Lieber Fritz«, bat sie. »Ich bin schon so traurig, und nun ist auch noch der Professor fort …«
    Jetzt war es doch zuviel geworden, das Tränenkrüglein rann über, sie weinte.
    »Na ja, ich mußte es dir doch sagen, Rosemarie«, entschuldigte er sich. »Heule man nicht mehr. Ich hol dich schon wieder raus. Ich schleiche jetzt gleich rum auf den Hof …«
    »Höre, Fritz«, sagte sie hastig und verschluckte die Tränen. »Tu es nicht. Bitte nicht. Laß mich drin.«
    »Ich soll dich«, fragte er verblüfft, »sitzenlassen?«
    »Fritz«, sagte sie flehend, »tu es nicht, ich bitte dich. Er stellt wieder Fallen auf. Oder er schießt, er hat doch eine Flinte.«
    »Das soll er mal wagen!« drohte Hütefritz. »Dafür gibt es Kittchen.«
    »Dem ist jetzt alles egal, Fritz. Aber es ist nicht nur das. Ich will auch nicht raus. Ich will nicht wieder fortlaufen. Ich will hierbleiben …«
    »Du willst hierbleiben – bei Schliekers?«
    »Ja, ja, Fritz, es ist das beste, glaube mir doch.« Sie suchte krampfhaft in ihrem Kopf nach einer Lüge, die ihn überzeugen konnte, denn die Wahrheit würde er nie begreifen. »Es ist ein Plan von Herrn Amtsgerichtsrat, grade dadurch, daß ich hierbleibe, fällt Schlieker rein …«
    »Der Amtsgerichtsrat war hier«, sagte Hütefritz bedenklich. »Er ist eben wieder weggefahren.«
    »Siehst du!« rief Rosemarie und verzweifelte dabei vollkommen in ihrem Herzen. Der Amtsgerichtsrat hatte nicht einmal verlangt, sie zu sprechen.
    »Das ist sicher wieder so ein studierter Plan«, sagte der Junge mißmutig. »Du fällst bestimmt dabei rein. Jetzt kann ich dich doch rausholen, Rosemarie. Aber dein Zimmer, du solltest mal dein Zimmer sehen, das reine Gefängnis. Ich habe es mir eben von außen besehen …«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Rosemarie flehend. »Das gehört ja auch zu unserem Plan. – Fritz, lieber Fritz, kannst du denn nicht einmal tun, um was ich dich bitte?! Bleib drei, vier Tage ganz fort – es ist am allerbesten. Vielleicht steht er schon hinter dir, denk an Philipp …«
    Es war, als hätte ihre Warnung ihn gerufen, der Junge schrie auf, der Hund bellte, Schliekers Stimme rief: »Steh oder ich schieße!«
    Brechen von Zweigen, eilige, huschende Schritte, Totenstille …
    Atemlos stand Rosemarie unter dem Fenster. Nein, er schoß nicht. Diesmal hatte er wohl sein Gewehr noch nicht mit, er hatte bloß gedroht. Zwei Minuten später klirrte der Vorstecker, und Schlieker stand in der Tür. »Los!

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