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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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der. »Wenn die Schliekers so schlecht sind …«
    »Da geht er hin!« schrie Maxe und hielt die Pferde mit einem Ruck an. »Haben wir’s doch nicht geschafft! Ich sage es ja. Ich sage es ja!«
    Und richtig – eben tauchte pustend und schnaufend hinter dem Kriwitzer Bahnhofshäuschen die Kleinbahnlokomotive auf, zwei Wägelchen hinter sich. Mit Klingling-Klingling fuhr sie die Hügelseite entlang und Klingling-Klingling verschwand sie im Walde.
    »Da!« sagte der Maxe und starrte.
    Der Professor Kittguß starrte mit. »Und was machen wir nun?« fragte er dann hilfeflehend seinen Kutscher.
    »Fahren Sie doch mit dem Sechs-Uhr-Zug, Herr Professor«, sagte der Maxe überredend und erinnerte sich sehr, wie dringlich die Eltern diesen Gast aus dem Dorf gewünscht hatten. »Kriwitz kann man sich schon mal ein paar Stunden ansehen, und bei Stillfritzens im ›Erbherzog‹ ißt man großartig!«
    Und damit war er auch schon runter vom Wagen, hatte die Reisetasche auf die Straße gesetzt und bot dem Professor die Hand zum Absteigen.
    Der nahm sie mechanisch. »Beinahe«, sagte er bedenklich, »beinahe wäre es wohl Pflicht, wieder nach Unsadel zu fahren. Da nun die Schwestern zu Schliekers gehen …«
    »I wo, Herr Professor«, sagte Maxe leichthin und war schon wieder oben. »Was hat denn das mit dem zu tun? Ich sage es Ihnen doch, Amt ist Amt und Vormundschaft ist Vormundschaft. Auf Wiedersehen, Herr Professor, und gute Reise. Ich werde die Eltern auch schön grüßen.«
    Damit aber stand der Professor Kittguß allein auf dem Vizinalwege von Unsadel nach Kriwitz und sah dem Stuhlwagen, den Braunen und dem Maxe nach, die sich eilig entfernten. Etwas war nicht recht, und was das Unrechte war, das wußte er auch, aber er wollte es nicht wissen.
    So nahm er denn seine Tasche und ging langsam in das große Amts- und Pfarrdorf Kriwitz hinein, am Bahnhof vorüber durch die lange Häuserzeile mit ihren nicht städtischen und nicht ländlichen Häusern und mit ihren fünf gewaltigen Kaufläden. Denn Kriwitz ist ein rechter Landhandelsort, in dem der Bauer ein- und verkauft, was alles er braucht und erübrigen kann.
    Der Professor aber wäre wohl in all seinen Gedanken immer weitergegangen durch den Ort, aus dem Ort in das herbstliche Land hinein, wenn er nicht plötzlich von einer stattlichen Torfahrt her angerufen wäre: »He, Sie! Ja, Sie mit der Tasche!«
    Der Professor sah unschlüssig auf den Mann, der da mit listig und vergnügt funkelnden Augen und dem unglaublichsten blauroten Zinken von der Welt unter dem Tore stand.
    »Meinen Sie etwa mich, lieber Herr?« fragte er behutsam.
    Der andere sah suchend die Straße auf und ab. »Sehen Sie noch eine Tasche?« fragte er. »Ich jedenfalls nicht! – Nein, Sie sind der Mann, Sie hängen an der Tasche. Alsosind Sie ein Reisender. Aber wenn«, sprach der Mann und rieb sich nachdenklich den Kolben, »ein Reisender in unsern schönen Ort kommt, so geht er nicht am ›Erbherzog‹ vorbei, sondern hilft dem armen Stillfritz, das Bier laufend zu halten. Das ist im Interesse aller.«
    »Soso«, sagte der Professor vorsichtig. »Sie sind also ein Gastwirt?«
    »Oh, lieber Herr«, rief der andere, »alles, was wir sind, waren und sein werden, das können wir uns drinnen bei einem Topp Bier viel besser erzählen!«
    »Ich trinke nie Bier«, sagte der Professor, nicht ganz auf der Höhe eines Erklärers der Offenbarung. »Und am Vormittag schon gar nicht.«
    »Aber einen lütten Köm?« fragte der Wirt und kniff die Augen ein. »Einen schönen, klaren Köm?«
    »Nie!«
    »Und doch so alt geworden«, meinte der Wirt bedauernd. »Aber Scherz beiseite, kommen Sie rein, und leisten Sie mir ein bißchen Gesellschaft. Ihre Zigarren oder was Sie da in der Tasche tragen, kriegen Sie immer noch in einer halben Stunde verkauft. Ach, lieber Herr«, bat er nun wirklich, »Sie ahnen ja nicht, was das für einen Gastwirt heißt, der sich Morgen für Morgen seine toten Bierhähne und die leere Gaststube anschaut – wie kümmerlich einem da zumute ist.«
    Dem Professor war auch kümmerlich zumute, und die fünf oder sechs Stunden bis zum nächsten Zug abzulaufen ging über seine Kraft. Zweifelnd betrachtete er sich seinen seltsamen Partner. »Aber Bier oder Schnaps trinke ich nicht«, erklärte er dann.
    »Müssen Sie ja gar nicht«, antwortete der Wirt. »Jetzt kommen Sie erst mal rein. Meine Frau hat eine schöne Hühnerbrühe auf dem Feuer, und wer sanft ist, will auch sanft essen – Sie sind doch

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