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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Briefes vom Apostel Paulus an die Korinther gedenken: »Die Liebe … verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles …«
    »Oh, meine Kinder«, sagte er und war nun nicht mehr müde und hatte keine Bedenken mehr. Denn wer von solch armem Geschöpf so geliebt wird, des Herz muß selbst voll Liebe sein, wie spröde es sich auch gebärde.
    Und Rosemarie –? Rosemarie ließ ihm die Hände und sah still auf den ungestalten Kopf und sagte nur immer wieder beruhigend: »Ja, mein Junge. Jetzt wird alles gut. Ja, du bist treu, Philipp.«
    Als aber das arme Herz sich gar nicht beruhigen wollte, nahm sie den Kopf fest zwischen ihre Hände und mahnte: »Philipp, was denkst du dir eigentlich? Willst du weiter faul sein?! Siehst du den Herrn Professor nicht? Er ist müde und hungrig, und ich bin auch müde und hungrig, und kalt ist es hier –! Du wirst jetzt tüchtig arbeiten. Marsch und hol erst mal Holz!«
    Damit gab sie ihm einen zärtlichen Schlag auf die Schulter, und sofort war der Junge hoch, sah die beiden noch einmal strahlend an – und schoß aus der Türe.
    Keine zehn Minuten, da saß der Professor schon gemütlich in einem großen ledernen Sessel, eine wolleneDecke über den Knien und seine schönen weichen Kamelhaarschuhe an den müden Füßen. Still zufrieden sah er in die prasselnde, lohende, so herrlich lebendige Flamme im großen Ziegelkamin, und dann sah er wieder lächelnd und ganz glücklich in den alten Kuhstall, der jetzt von einer großen Petroleumhängelampe sanft erhellt war.
    Seine beiden Schutzbefohlenen wirtschafteten eifrig um ihn: Rosemarie bereitete irgendein Abendessen aus Tüten und Schachteln, und der Junge, der Philipp, war ziemlich geschickt sogar – damit beschäftigt, die Federbetten in der Nähe des Kamins anzuwärmen und zu beziehen.
    Der Professor aber fühlte sich nach all dem Trubel der vergangenen Tage viel zu behaglich, als daß er gemerkt hätte, daß all diese Kisten, Wandschränke und Truhen auf eine nicht ganz legale Weise, nämlich nicht mit dem Schlüssel, sondern mit einem Stemmeisen, geöffnet wurden. Und Rosemarie ihrerseits war wiederum viel zu klug, bei diesem Öffnen unnötigen Lärm zu machen, sondern ließ sich ein kleiner Krach gar nicht vermeiden, fiel sicher grade ein Topf klappernd zur Erde, oder der Philipp klöbte krachend ein Buchenscheit auf.
    Nein, nichts störte des Professors Frieden, einen Finger in der geliebten Offenbarung Johannis saß er glücklich da; bis er auf den Vers geriet: »Wer Unrecht tut, tue ferner Unrecht; und wer unflätig ist, treibe ferner Unfläterei; und der Gerechte tue ferner recht, und der Heilige heilige sich ferner …«
    Da war es freilich kein Wunder, daß er wieder in seine alten Bedenken geriet: »Wir dürfen doch auch hier sein, Rosemarie?«
    Sie sah nur flüchtig auf und sagte mit einem leichten Anklang an den alten Trotz in der Stimme: »Natürlich dürfen wir hier sein, Pate. Niemand wehrt es uns.«
    Der alte Mann nickte zufrieden mit dem Kopf. Da fühlteer etwas Weiches und Warmes an seiner Hand, und als er hinabsah, war es der Rosemarie Wange, die sich da angeschmiegt hatte. Er sah aber nur den blonden Scheitel des hingeknieten Mädchens. »Nun, mein Kind?« fragte er sanft.
    »Ich will dir alles erklären, Pate«, sagte sie. »Weil ich jetzt oft daran denke, daß man eine gute Sache nicht mit einer Lüge beginnen soll …«
    »Und das scheint manchmal schwer?« fragte er.
    »Schwer, ja«, sagte sie. »Weil man es nicht einsehen kann, denn alle, alle machen es doch anders.«
    »An die andern dürfen wir dabei nicht denken, mein Kind. Wir müssen an unser Herz und an Gott denken.«
    »Ach«, sagte sie leise.
    »Das möchtest du nicht, mein Mädchen, nein?« sagte er. »Du möchtest um deiner selbst willen rein sein? Ich weiß, ich weiß. Aber unsere Reinheit ist nichts, wenn sie nur um unserer selbst willen da ist, verstehst du das?«
    Sie antwortete nicht, und er wartete umsonst wenigstens auf ein Nicken ihres Kopfes. »Also erzähle, Rosemarie«, sagte er geduldig. »Erzähle, was du sagen wolltest.«
    »Ich«, sagte sie stockend. »Ich wollte von dem Waldhaus sagen … Ach Pate!« Und nun sah sie voll zu ihm auf. »Ich denke immer daran, aber es ist, als gäbe es zwei Welten – und du und der Papa und die Mama – ihr seid in der einen, aber alle, alle andern leben in der zweiten. Und sechs Jahre muß ich nun doch schon in der zweiten sein – und bin erst sechzehn!«
    »Du willst erzählen,

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