Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
konnte nicht währen, es durfte so auch nicht werden, denn wenn sie irgend nach getaner Arbeit auf der Welt stillzusitzen hatte, dann allein auf ihrem Unsadeler Hof. Dies Jetzt war schön, aber es war vergänglich, weilsie nicht in ihrem Heim saß und nicht auf ihrem Boden. Ihr Heim war in Gefahr, ach, sie kannte alle Ränke und Schliche, mit denen Päule Schlieker, das Gesetz im Rücken, es bedrohte.
    Und sie war nichts. Die Vormünder hörten nicht auf sie. Sie hatten dem Ehepaar Schlieker dies Monatsgehalt von hundert Mark bewilligt, sie sagten, es sei nicht zuviel für die Arbeit von zweien! Vielleicht war es wirklich nicht zuviel, aber etwas anderes war es, ob dieser Hof, diese fünfunddreißig Morgen, hundert Mark im Monat hergaben! Etwas anderes war es, wie wenig Arbeit für so viel Geld getan wurde!
    Sie waren ja vorsätzlich faul, sie ließen ja absichtlich alles verkommen, denn dann konnte Schlieker am Schluß des Jahres mit seiner Rechnung vor den Vormündern klagen: »Nun hat es wiederum nicht gelangt für mein Gehalt! Der Herr Pastor Thürke hat ganz schön und erbaulich reden können, aber von Landwirtschaft hat er soviel verstanden wie die Kuh vom Seradellahandel – solchen Dreckhof zu kaufen! Man schuftet sich noch tot auf dem verhungerten Boden. ›Von nichts wird nichts‹, sagte der Hund und fraß die Wurst, und so muß ich bitten, daß mir eine Sicherungshypothek für mein Gehalt auf den Hof eingetragen wird!«
    Ihnen tat es nicht weh, sie ließen eintragen: im ersten Jahr sechshundert Mark Restforderung, im zweiten achthundert dazu, und in diesem Jahre würde er vielleicht schon tausend fordern … Und zu den Hypotheken kamen die Zinsen, Stunde um Stunde, Monat um Monat, Jahr um Jahr …, es war der Rosemarie, als kämpfe sie versinkend in einem Strom mit immer neuen, immer stärkeren Wogenbächen …
    Sie war allein, und keiner wollte sie verstehen, und keiner half ihr. Die Flammen lohten, das Buchenholz knisterte und prasselte, durch die Asche lief aufleuchtend einFaden Glut. Sie starrte darauf, ein trockenes, heißes Brennen in den Augen, sie redete wieder – wie dutzendmal schon – zu Frau von Wanzka, zu Kaufmann Mühlenfeldt.
    Jawohl, es war nicht nur zuviel Geld, es war auch böse Absicht, Betrug. Wo waren die fünfzehn Zentner Roggen hingekommen im vergangenen Herbst? Wo blieben die vielen Äpfel? War es etwa auch richtig, daß er die fünf Pflegekinder mit ihrer Kuhmilch ernährte und steckte das Pflegegeld in die Tasche?
    Betrug! Betrug!! Betrug!!!
    »Bring uns Beweise, Kind«, sagten sie. »Wie heißt er, der den Roggen, die Äpfel gekauft hat? Für das Milchgeld hat Schlieker Kohlen angeschafft und dir ein Kleid. Nein, geh jetzt, wir haben es über. Erst waren dir die Gaus nicht recht, und nun, da wir dich zu den Schliekers gegeben haben, sind die wieder nicht gut. Keiner kann sich den Napf aussuchen, aus dem seine Eltern ihm das Essen geben!«
    »Puh, diese Großen«, dachte Rosemarie und stieß mit dem Schürhaken zornig in die Glut, daß die Flammen hoch in den Schornstein schlugen.
    Sie berührte leise und zärtlich die Hand des Schläfers, zärtlich sah sie in das alte, gütige Gesicht; das auch im Schlaf gütig blieb. Sie war sicher, daß sie ihn führen könnte, wie sie wollte, sie überschaute ihn: er war gütig, unerfahren, ruhebedürftig, sagte ungern nein.
    Einen Augenblick regte sich etwas wie Unruhe in ihr, als sie den ausdrucksvollen Mund, das feste Kinn betrachtete. Einen Augenblick erinnerte sie sich, daß sie beide in keiner Sache fast einer Ansicht waren. Einen Augenblick überkam sie eine Ahnung von der Macht, die in seiner beharrlichen Milde lag. Aber das kam und ging. Sie war sechzehn, sie vertraute ihrer Kraft, sie glaubte die Welt noch formen zu können nach ihrem Bilde.
    Kleine Flammen prasselten und tanzten jetzt, Rosemariehob den Kopf höher. Die kleinen Flammen tanzten und sangen ein Siegeslied,
ihr
Siegeslied. Sie hatte heute viel erreicht: sie war los von den Schliekers, sie hatte ihnen mit den fünf Pflegekindern einen Streich gespielt, der ihnen übel bekommen konnte, und sie war ganz allein mit dem alten Professor, im tiefen Wald, fast zwei Gehstunden von Unsadel. Keiner konnte auf ihn einreden, sie hatte ihn allein, in der Ruhe, in der Geduld.
    »Siegerin Rosemarie!« hüpften und sangen die Flammen. »Siege weiter. Sei lebendig wie wir, Rosemarie! Kämpfe!«
    Sie saß da, den Kopf erhoben, mit strahlenden Augen und leuchtenden Wangen – sie ahnte

Weitere Kostenlose Bücher