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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Müller …«
    »Wer ist Frau Müller –?!« fragte der Amtsgerichtsrat ziemlich scharf, denn hinter all diesem Gerede schien ihm – auch in Anbetracht der unbezahlten Lüttenhäger Zeche – weiter nichts zu stecken als ein leeres Portemonnaie.
    »Meine Wirtschafterin in Berlin«, sagte der Professor sanft.
    »Aber Sie müssen doch wissen, wieviel Geld Sie haben, mein lieber Herr Professor«, rief der Amtsgerichtsrat verzweifelt. »Bekommen Sie Pension? Wieviel Pension beziehen Sie?«
    »Dreihundertachtzig Mark«, antwortete der Professor folgsam.
    »Und das bekommt alles diese Frau Müller?«
    »Nein, nein, nur hundertachtzig.«
    »Und der Rest, wo bleibt der?«
    »Auf meiner Sparkasse.«
    »Ah, ah! Sie haben also ein Konto bei der Sparkasse?«
    »Ein Buch, nur ein Buch«, verbesserte der Professor.
    »Also ein Buch, schön – und da bleiben jeden Monat zweihundert Mark stehen?«
    »Ich kaufe mir auch manchmal Bücher«, gestand der Professor ängstlich.
    »Aber doch nicht für zweihundert Mark im Monat!« schrie der Amtsgerichtsrat. »Für fünfzig? Für hundert?«
    »Nein, nicht so viel.«
    »Wieviel?«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht könnte man bei meiner Buchhandlung anfragen?«
    Der Amtsgerichtsrat machte eine ärgerliche Handbewegung, als scheuchte er eine lästige Fliege fort. »Also hundert Mark bleiben bestimmt jeden Monat stehen?«
    »Ich denke«, sagte der Professor ängstlich.
    »Und wie lange? Wie lange sind Sie schon pensioniert?«
    »Sechzehn Jahre.«
    »Aber Mann«, rief der Amtsgerichtsrat aufgeregt und verbesserte sich. »Sehr verehrter Herr Professor, entschuldigen Sie, wenn ich zappele. Aber solch ein Mensch wie Sie ist mir noch nicht vorgekommen. Da haben Sie ja annähernd zwanzigtausend Mark auf der Kasse –?!«
    »Ja?« fragte der Professor ängstlich. »Es ist ja möglich …«
    Und im Bestreben, seine Sache gut zu machen und auch alles zu erzählen: »Und dann ist doch auch noch das Erbteil meiner lieben Eltern da.«
    »Geerbt haben Sie auch noch?! Wieviel?«
    »Ja, ich weiß doch nicht, es sind so Papiere …«
    »Pfandbriefe, Aktien, Kuxe –? Was war Ihr Herr Vater?«
    »Rechtsanwalt und Notar.«
    »Also gute, sichere Papiere«, entschied der Amtsgerichtsrat. »Bekommen Sie Zinsen?«
    »Ja, ich glaube. Es wird immer ordentlich in meinem Buch angeschrieben, ich habe nicht recht darauf geachtet, fürchte ich.«
    »Wieviel Zinsen?« fragte der Amtsgerichtsrat unerbittlich.
    »Waren es dreitausend Mark?« fragte der Professor träumerisch. »Ja, ich denke, es waren etwas über dreitausend Mark im Jahr.«
    »Aber da sind Sie ja ein reicher Mann!« schrie der Amtsgerichtsrat aufgeregt und trommelte mit den Händen auf den Schreibtisch. »Da gibt es ja gar keine Probleme mehr. Da können Sie Schliekers und den ganzen Thürkeschen Hof und noch drei Höfe dazu kaufen!«
    »Ja?« fragte der Professor. »Das wußte ich nicht.«
    »Nein, das wußten Sie nicht«, sagte der Amtsgerichtsrat plötzlich verdrießlich. »Und nun erzählen Sie mir einmal, Herr Professor, wie es kommt, daß ein so wohlhabender Mann nicht einmal sein Frühstück bezahlen kann.«
    Der Professor berichtete es, und der Amtsgerichtsrat hörte aufmerksam zu.
    »Nein, Herr Professor«, sagte er dann. »So geht es nicht. Das ist unmöglich, daß Sie diesem Kind solche Summen in die Hand geben und laufen selbst ohne einen Pfennig Geld in der Welt umher. Sie gefährden ja auch das Kind. Zuerst und vor allem müssen wir in Ihre Geldsachen Ordnung bekommen. Ich sehe, ich muß mich darum kümmern. Herr Professor, wo bewahren Sie Ihr Geld auf?«
    »Rosemarie hat’s doch«, sagte der Professor schuldbewußt.
    »Nein, nein, ich meine jetzt nicht das Geld, ich meine Ihr Berliner Geld.«
    »Auf der Sparkasse, Herr Amtsgerichtsrat.«
    »Aber nein doch, nein doch!« rief der Amtsgerichtsrat in heller Verzweiflung. »Wo haben Sie Ihr Sparkassenbuch?«
    »In meinem Schreibtisch in Berlin.«
    »Und die Kontrollmarke zum Buch?«
    »Im Buch, Herr Amtsgerichtsrat.«
    »Habe ich es mir doch gedacht!« rief der Amtsgerichtsrat. »Die Kontrollmarke soll man nämlich getrennt vom Buch aufbewahren, Herr Professor!«
    »Ich habe es ja früher auch getan«, gestand der Professor schuldbewußt. »Aber dann fiel mir nie ein, wo ich sie aufbewahrt hatte, und einmal hatten wir zehn Tage kein Geld, weil wir sie nicht wiederfinden konnten.«
    »Ja, ja«, sagte der Amtsgerichtsrat und konnte sich alles recht gut vorstellen. »Und Ihr Schreibtisch

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