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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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sonderte sie sich von den anderen ab, um im Schatten zu sitzen und sich ihrem Selbstmitleid hinzugeben. Sehnsüchtig dachte sie an die kühlen Winde und Nebel in Xori, an ihre Mutter, wie sie am Strand gestanden und ihnen zum Abschied zugewinkt hatte; sie dachte sogar an Bere, und wie süß seine Küsse gewesen waren, was Stavan gegenüber nicht fair war, aber andererseits war sie böse auf Stavan und nicht in Stimmung, um fair zu sein. Was sie so an ihm störte, wußte sie selber nicht genau. Er hatte nichts Ungewöhnliches getan; tatsächlich mußte sie sogar zugeben, daß er den Einbaum an diesem Morgen härter und länger als sonst gerudert hatte, um ihr Versäumnis wieder wettzumachen. Er schien einfach nur so laut und voller Energie. Seine Stimme tat ihr in den Ohren weh, und als er aus dem Boot gesprungen war, um eine Weile nebenher zu schwimmen, hatte er so viel Wasser aufspritzen lassen, daß sie gegen den Drang ankämpfen mußte, eine Hand auszustrecken und ihn zur Strafe unterzutauchen.
    Der Gedanke an ihre Lieben zu Hause versetzte sie in traurige Stimmung, und sie mußte an sich halten, um nicht in Tränen auszubrechen. Sie schloß die Augen und versuchte sich einzureden, daß es ein schöner Tag war, daß die Reise fast beendet war und sie sich ausgesprochen vernünftig benahm, aber ein dumpfes Pochen in ihren Schläfen lenkte sie ab. Sechzehn Flüche! dachte sie mißmutig, als sie die Augen öffnete und auf den Fluß starrte. Das Sonnenlicht auf dem Wasser war grell und blendend, allein der bloße Anblick schmerzte sie in den Augen. Ob sie auch Kopfschmerzen bekam? Na wundervoll. Wirklich großartig! Genau das hatte ihr noch gefehlt. Jeder wußte, daß es nichts Hartnäckigeres gab als eine Sommergrippe.
    Im Laufe des Tages wurde es immer schlimmer. Arang quengelte und wimmerte, und Marrah wechselte sich darin ab, Stavan anzufauchen und sich bei ihm zu entschuldigen. Stavan war bemerkenswert geduldig mit ihnen beiden, und ausnahmsweise einmal war Marrah froh, daß die Händler kein Wort von dem verstanden, was sie sagte.
    Als sie Halt machten, um ihr Lager für die Nacht zu errichten, stand fest, daß sowohl sie als auch Arang krank waren. Erschöpft streckte sie sich auf dem Boden aus und verweigerte das Abendessen; Arang aß zwar etwas Eintopf, erbrach jedoch zehn Minuten später alles wieder. Er legte sich neben Marrah, lehnte seinen Kopf an ihre Brust und begann zu jammern.
    »Ich hasse diese Reise. Ich hasse dich, weil du mich gezwungen hast mitzukommen. Ich will nach Hause!«
    »Nun, du kannst nicht nach Hause zurück, und ich kann es auch nicht, also wirst du dich einfach damit abfinden müssen.«
    Stavan kam zu der Stelle, wo sie lagen, und blickte besorgt auf sie hinunter. »Was geht hier vor ?«
    »Ich glaube, wir haben Streit«, erklärte Marrah, »nur daß ich mich zu elend fühle, um mich dagegen zu wehren.«
    Stavan legte eine Hand auf Arangs Stirn und dann auf ihre. »Ihr fühlt euch beide fiebrig an«, verkündete er, woraufhin Arang in Tränen ausbrach. Behutsam hob Stavan ihn auf seine Arme und versuchte, ihn zu trösten, doch Arang weinte nur noch heftiger.
    »Ich glaube, er ist wirklich krank«, erklärte Stavan.
    Marrah setzte sich auf. In ihrem Kopf drehte sich alles, und das Pochen hinter ihren Schläfen hatte sich zu einem wilden Hämmern verstärkt. Die Dämmerung war schon hereingebrochen, aber selbst der Feuerschein schmerzte sie in den Augen. Sie bat Stavan, ihr ihren Medizinbeutel zu bringen. Es kostete sie einige Anstrengung, die Lederschnur aufzuziehen und ein Päckchen Rosmarin herauszufischen. »Koch dies hier in etwas Wasser und gib es Arang«, sagte sie, bevor sie ermattet zurückfiel und die Augen schloß.
    Eine Weile später brachte Stavan Becher mit Rosmarintee für sie beide. Marrah dankte ihm und trank, aber Arang mußte Schluck für Schluck dazu überredet werden. Irgendwann fühlte Marrah, wie Stavan sie hochhob, auf einem weichen Moospolster in der Nähe des Feuers niederlegte und sie mit ihrem Umhang zudeckte, aber inzwischen fühlte sie sich zu krank, um mehr zu tun, als eine Entschuldigung zu murmeln, weil sie den ganzen Tag so bissig zu ihm gewesen war.
    »Mach dir darüber keine Gedanken«, flüsterte er und küßte sie auf die Stirn, als er den Umhang um sie herum feststeckte. Das Feuer knisterte und prasselte, und Flammen züngelten hoch, war-fen seltsame Schatten. Marrah sah die vier Händler bekümmert in ihre Richtung blicken. Anscheinend sind sie

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