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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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leeren Zeiträumen, als sie kaum zu existieren schien.
    Er hob ihre Hand an seine Lippen und küßte sie. »Du hast viel gesprochen.«
    »Ja ?«
    »Einiges davon war nur Delirium, aber eine Menge davon ergab einen Sinn. Du entsinnst dich wirklich nicht mehr?«
    »An kein Wort. Was habe ich denn gesagt? «
    Stavan zögerte so lange, bevor er erneut sprach, daß sie schon glaubte, er wollte es ihr vielleicht nicht sagen. »Du hast immer wieder von einer Vision gesprochen, die entweder du oder deine Mutter hattet; ich konnte nicht herausfinden, wer von euch beiden. Du hast mich ständig angefleht, etwas aus deinem Mund zu nehmen, was du Brot der Dunkelheit nanntest, damit du nicht sehen müßtest, was auf dich zukommt, und dann hast du geweint und dich schaudernd an mich geklammert und mich angefleht, dich nach Xori zurückzubringen, wo dich die Tiermenschen nicht holen könnten. Zuerst dachte ich, es wäre nur wirres Gerede im Fieberwahn, aber nach einer Weile ergab das Ganze ein schlüssiges Bild. Diese Tiermenschen, vor denen du solche Angst hattest, waren nicht nur ein böser Traum; es waren berittene Männer, und du oder deine Mutter hattet eine warnende Botschaft empfangen, daß sie nach Shara kämen und alles vernichten würden. Nachdem ich das herausbekommen hatte, war mir klar, was der Sinn und Zweck dieser Reise war.«
    Er zeigte auf die am Ufer vertäuten Boote, die langsam in der Strömung schaukelten. »Wir sollen dein Volk vor meinem warnen, richtig? «
    Marrah war außer sich vor Bestürzung, daß sie so viel ausgeplaudert hatte. »Ich sollte es dir nicht sagen! « Wütend zog sie ihre Hand aus seiner. »Ich habe einen feierlichen Schwur gebrochen.« Sie fühlte sich schrecklich und dennoch zugleich erleichtert. Nun wußte er es also. Die Wahrheit war heraus, und niemand konnte ihr einen Vorwurf daraus machen. Das Fieber hatte für sie gesprochen.
    Einen Moment lang herrschte verlegenes Schweigen. Stavan räusperte sich. »Wenn es dir ein Trost ist ... ich habe das meiste davon schon vor langer Zeit vermutet. Natürlich wußte ich nicht, daß es tatsächlich eine Prophezeiung gegeben hat, aber ich hätte schon ziemlich dumm sein müssen, um nicht zu begreifen, daß du eine irgendeine Warnung überbringen solltest. Den einen Tag unterhält sich deine Mutter mit mir über das Grasmeer und fragt mich, wie viele Krieger die Hansi hätten und wie schnell sie gen Westen reiten könnten. Und ein paar Tage später schickt sie uns drei nach Shara mit der Anweisung, so schnell zu reisen, wie wir können. Aus welchem anderen Grund hätte sie uns losschicken sollen, als um dein Volk vor meinem zu warnen? Und warum hätte sie unbedingt gewollt, daß ich mit euch gehe, außer als lebender Beweis ?«
    »Du hast es all diese Monate gewußt?«
    Er nickte.
    »Und du hast nie ein Wort davon gesagt!«
    »Warum sollte ich? Zuerst – bevor wir uns liebten – fand ich die Vorstellung amüsant, daß du mich in den Osten schleppen wolltest, um als schlechtes Beispiel zu dienen. Ich dachte mir: Nun, ich werde immer genügend zu essen, ein warmes Bett und eine schnelle Reisemöglichkeit haben, solange ich bei ihr und ihrem Bruder bleibe –also, warum soll ich mich dann nicht auf bequeme Art von ihnen nach Osten bringen lassen? Ich hatte vor, mein Leben von dir zurückzugewinnen und bei der ersten Gelegenheit fortzugehen. Und genau da liegt das Problem.« Er hielt erneut inne. »Ich habe tatsächlich mein Leben zurückgewonnen.«
    In seiner Stimme schwang ein seltsamer Unterton mit. Marrah blickte ihn überrascht an, versuchte, den Ausdruck in seinen Augen zu entschlüsseln, aber sein Gesicht war nur noch ein weißes Oval in der Dunkelheit. »Ich verstehe nicht.«
    »Ich habe dir das Leben gerettet«, wiederholte er.
    »Ja«, erwiderte sie. »Das hast du getan. Und du hast auch Arang gerettet. Ich werde dir niemals genug dafür danken können. Die Händler hätten niemals daran gedacht, uns in das Flußwasser zu halten, um unser Fieber zu senken. Du bist ein geborener Heiler. Wenn du nicht gewesen wärst –«
    »Du verstehst nicht«, unterbrach er sie ungeduldig. »Ich habe dir das Leben gerettet. Das bedeutet, daß du nicht länger mein Häuptling bist. Es bedeutet, daß ich dir nach den Gesetzen der Hansi nichts mehr schuldig bin. Wenn du Pferde hättest, dürfte ich sie nehmen, und wenn du Vieh hättest, könnte ich es stehlen. Ich habe jetzt einen neuen Häuptling – oder eher, wieder den alten –, meinen Vater. Ich

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