Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
Vom Netzwerk:
Shara ist weit und breit berühmt. Also, ein Vetter dritten Grades meiner Mutter ist einmal vor vielen Jahren nach Shara gegangen, und als er zurückkam, erzählte er uns, ihr hättet dort eine heilige heiße Quelle, die alles kurieren könnte. Sharas Quellen bewirken, daß die Blinden wieder sehen und die Tauben wieder hören, hat er uns erzählt, und seine Priesterinnen sind alle große Heilerinnen.«
    »Ich bin niemals in Shara gewesen.«
    »Du machst Scherze, nicht wahr?«
    »Nein, es stimmt zwar, daß meine Mutter aus Shara stammt, aber sie ging von dort fort, noch bevor ich geboren wurde. Ich bin im Westen jenseits des Westens aufgewachsen, in einem Dorf namens Xori an der Küste des Meeres der Grauen Wogen.«
    »Sechzehn Flüche!« rief die Dorfmutter enttäuscht. »Dann kannst du wahrscheinlich noch nicht einmal eine Heilpflanze von der anderen unterscheiden in diesem Teil der Welt. Du wirst Nurga nicht im geringsten helfen können.« Die Ältesten murmelten verdrießlich vor sich hin, und einige warfen Marrah sogar mißbilligende Blicke zu, als hätte sie sie absichtlich getäuscht, aber die Dorfmutter war vernünftiger. »Nun, ich nehme an, es ist nicht deine Schuld, daß wir dich irrtümlich für eine große Heilerin gehalten haben. Das kommt davon, wenn man auf den Klatsch hört, den die Händler als Neuigkeit verkaufen. Übrigens, hier kommt Nurga, das arme Ding.«
    Am Rand der Gruppe entstand Unruhe. Die Leute machten Platz, und zwei Frauen traten vor, die eine Kranke zwischen sich trugen. Sie war vielleicht siebzehn Jahre alt, von durchschnittlichem Aussehen, mit dunklen Augen und ordentlich gekämmtem Haar, das geflochten und mit einem Lederband zurückgebunden war. Ihre Füße waren nackt, und sie trug die Art Leinenkittel, die Kranke manchmal trugen, wenn sie in einen Tempel kamen, um dort um Heilung zu beten, aber es war klar, daß sie sich den Kittel nicht selbst angezogen hatte, weil Marrah sofort sehen konnte, daß sie nicht auf dieser Welt war, jedenfalls nicht im normalen Sinne. Sie saß steif aufgerichtet da, mit weit aufgerissenen Augen, und blickte weder nach rechts noch nach links, als wäre sie erstarrt. Nur als sie an Stavan vorbeigetragen wurde, flackerte etwas in den Tiefen ihrer Augen auf, eine Flamme nackter Angst, die jedoch so schnell wieder erlosch, daß Marrah glaubte, sie hätte es sich vielleicht nur eingebildet.
    Die Frauen setzten die Kranke auf eine Strohmatte, arrangierten ihre Arme und Beine, verbeugten sich und zogen sich in die Menge zurück.
    »Dies ist Nurga.« Die Dorfmutter seufzte und strich der jungen Frau eine Haarsträhne aus der Stirn. »Noch vor einem Jahr war sie so glücklich und lebendig wie jede andere junge Frau im Dorf. Sie war eine Händlerin, die mit ihrer Tante, ihrem Bruder und ihrem Partner – meinem ältesten Enkel, Erdin – zusammenarbeitete. Die vier fuhren regelmäßig den Rauchfluß hinunter, um Muscheln zurückzubringen, oder wanderten in den Norden, um Salz und das pulverisierte Gold einzutauschen, mit dem wir unsere Töpferwaren glasieren. Im letzten Frühjahr reisten sie nach Norden. Wir erwarteten sie gegen Ende des Sommers zurück, aber sie tauchten nie wieder auf.«
    Erneut strich die Dorfmutter liebevoll über Nurgas Gesicht, doch Nurga schien nichts davon zu merken. »Wir haben den ganzen Winter gewartet, haben uns voller Sorge gefragt, was ihnen zugestoßen sein mochte. Vor zwei Wochen kehrte Nurga dann allein zurück, oder eher das, was von ihr übrig war. Sie taumelte eines Morgens durch das Tor, so über und über mit Schmutz bedeckt, daß sie kaum noch wie ein Mensch aussah, und seitdem hat sie mit niemandem ein Wort gesprochen. Sie ißt kaum etwas, und nachts schreit sie laut im Schlaf, als hätte sie Alpträume. Wir sind alle außer uns vor Sorge um Erdin und die anderen, aber wenn wir sie fragen, wo sie sind, blickt sie geradewegs durch uns hindurch. Zuerst dachten wir, sie müßte Zeugin irgendeines schrecklichen Unfalls gewesen sein, so grauenhaft, daß sie darüber den Verstand verloren hat, aber gestern hat ihre Mutter etwas bemerkt, was uns auf den Gedanken gebracht hat, daß sie an einer seltsamen Krankheit leiden muß.«
    Sie seufzte. »Ich schätze, wenn du schon einmal hier bist, kannst du ebensogut einen Blick auf sie werfen. Schließlich bist du von weit her gekommen, und selbst wenn du keine große Heilerin bist, kannst du uns vielleicht sagen, ob du schon einmal etwas Ähnliches gesehen hast.«
    Behutsam schob sie

Weitere Kostenlose Bücher