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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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daß sie am folgenden Tag den Fluß verlassen müßten, um über Land weiterzureisen. »Wenn wir weiter in dieser Richtung marschieren«, erklärte er, »werden wir wieder oben in den Bergen landen. Ich gehe nicht gerne quer durch den Wald, ohne einen Fluß als Orientierungshilfe zu haben; das tut keiner gerne. Trotzdem führt der Weg direkt nach Osten, und er ist relativ eben und gut markiert. Mit ein bißchen Glück sollten wir nicht länger als zwei Tage außer Sichtweite des Wassers sein.«
    Er hob einen dünnen Ast auf und zeichnete eine grobe Landkarte in den Staub – zwei Wellenlinien, durch eine Gerade verbunden. »Wir werden querfeldein gehen, bis wir auf die Ufer dieses Flusses stoßen, den mein Volk den Orugali nennt. Wie ihr sehen könnt, werden wir ihm von dort aus den Weg bis zum Blauen Meer folgen können.«
    Wie Rhom versprochen hatte, dauerte der Marsch zum Orugali nicht länger als zwei Tage. Alle waren froh und erleichtert, den Fluß zu sehen, und während sie in östlicher Richtung am Nordufer entlangwanderten, machten die Händler ihre Reisegefährten immer wieder auf bekannte Wahrzeichen aufmerksam. Mit jedem Schritt, den sie taten, wurde der Wald trockener, und Pflanzen tauchten auf, die Marrah noch nie zuvor gesehen hatte. Speziell eine, eine Art dorniger Stechpalme, wuchs überall, wo sich eine kleine Lichtung zwischen den Bäumen auftat; überwiegend war das Land jedoch mit Eichen und großen Kiefern bewachsen, die eine rotbraune, von orangefarbenen Rissen durchzogene Rinde hatten. Der Boden, auf dem sie gingen, war stellenweise steinig, aber fruchtbar, und an Bächen und an den Ufern des Flusses war die Erde blutrot und fühlte sich klebrig an.
    Das Wetter wurde wärmer, und statt fest in ihre Umhänge eingerollt zu schlafen, schliefen sie jetzt ohne Decken, froh über jede erfrischende Brise. Obwohl sie immer noch eine mehrtägige Wanderung vor sich hatten, bevor sie die Küste erreichen würden, schien die Reise fast zu Ende, und alle entspannten sich merklich. In der Nacht hielten sie zwar immer noch abwechselnd Wache, doch wenn es jemals einen Löwen gegeben hatte, so hatten sie ihn am Ibai Nabar zurückgelassen; auf ihrem Weg entlang des Orugali sahen sie nichts Furchterregenderes als die Fußspuren von Rehen und Kaninchen in der tonhaltigen roten Erde am Ufer.
    Stavan gewöhnte sich wieder an, abends auf die Jagd zu gehen, und sie waren alle froh, wieder frisches Wildfleisch zum Abendbrot zu haben. Irgendwann während ihrer Wanderung entlang des Ibai Nabar hatte er für Arang einen Bogen und mehrere Pfeile gemacht, deren Spitzen aus winzigen Stücken scharfen Steins bestanden. Die Pfeile taugten zwar nicht sonderlich viel, außer um kleinere Vögel zu schießen, aber inzwischen konnte Arang ein Ziel mit relativer Genauigkeit treffen, und er brannte darauf, ebenfalls zu jagen.
    »Kommt nicht in Frage«, erwiderte Stavan energisch. Und als Arang zu betteln begann, griff er nach seinem Bogen und verschwand ohne ein weiteres Wort im Wald.
    »Er behandelt mich wie ein Kind«, schimpfte Arang, und Marrah erinnerte ihn daran, daß er ein Kind war. »Ich hasse es, wenn du wie eine Erwachsene redest! « erwiderte er wütend, und den Rest des Abends schmollte er beleidigt.
    Zuerst ärgerte Marrah sich, doch dann erinnerte sie sich, wie geduldig ihr Bruder gewesen war, wie er immer seinen schweren Korb geschleppt hatte, ohne jemals zu klagen, wie eifrig er beim Feuerholzsammeln geholfen hatte. Sie wußte, er vermißte Sabalah, aber er weinte niemals nach seiner Mutter, so wie es einige Jungen seines Alters vermutlich getan hätten. Und welcher andere Achtjährige hätte schon den Mut aufgebracht, durch den engen Tunnel zu kriechen, der zu den Höhlen von Nar führte?
    Am nächsten Abend, nachdem Stavan auf die Jagd gegangen war, trat sie zu Arang, der neben einem Baum hockte, das Kinn in die Hände gestützt, und mit finsterer Miene auf den Wald starrte. »Hol deinen Bogen und die Pfeile«, schlug sie vor, »dann nehme ich dich mit zu einem Platz in der Nähe des Lagers, wo du Zielschießen üben kannst.«
    »Ich hab keine Lust, auf einen blöden alten Baum zu schießen«, knurrte er, und als Marrah ihn mit dem Versprechen aufzuheitern versuchte, daß er reichlich Gelegenheit haben würde, richtig zu jagen, sobald sie die Küste erreicht hatten, erklärte er unwirsch, sie solle weggehen und ihn in Ruhe lassen.
    Na ja, ich hab's zumindest versucht, dachte sie und ging zu ihrem Korb zurück, um

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