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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Keshna mehr heiße Milch anbot und ihnen versicherte, daß sie gegen Mittag in Kataka eintreffen würden.
    Sie ritten weiter, setzten über den Fluß und folgten dem Ufer Richtung Norden. Das Wetter war im Laufe der Nacht umgeschlagen, und ein kalter Nebel hatte sich über das Tal gesenkt. Den größten Teil des Vormittags sahen sie nicht viel mehr als Nebelschwaden, aber gegen Mittag – wie es die Dorfbewohner versprochen hatten – begann sich der Nebel zu lichten, und sie entdeckten, daß sie sich breiten Streifen rauhreifbedeckter Weiden näherten, die mit dreieckigen Heuhaufen gesprenkelt waren. Die Katakaner hatten mehrere junge Bäume zu einem Gestell zusammengebunden und das Heu über die Zweige gelegt, damit es nicht verfaulte – eine kluge Lösung in einem solch feuchten Klima, dachte Marrah.
    Es ging am Rande einer der Wiesen entlang, und bald trafen sie auf Dutzende von Getreidebehältern aus gebranntem Ton. Jede Tonne hatte die Form einer großen, schwangeren Göttin mit einem offenen Mund und einem dicken, runden Bauch. Diese Speicher waren so groß, daß es auf den ersten Blick aussah, als fände hier ein Treffen von Riesen statt. Marrah war beeindruckt. Sie hatte zwar schon gehört, daß die Katakaner geschickte Töpfer waren, aber die Getreidetonnen, die dreimal so groß wie sie selbst waren, konnten sich leicht mit den schönsten Krügen messen, die Onkel Bindar je getöpfert hatte.
    Jede Tonne war mit komplizierten kreisförmigen Mustern bemalt, jede hatte ein menschliches Gesicht und ihre individuelle Persönlichkeit. Einige sahen mütterlich aus, einige traurig, andere wirkten fröhlich, und wieder andere leckten sich die Lippen auf eine Art, die derb und hungrig zugleich wirkte.
    »Ich frage mich, ob sie die ursprünglichen Clanmütter darstellen sollen«, meinte Marrah versonnen, aber Hiknak sah die Dinge wie gewöhnlich in nüchternerem Licht.
    »Ich würde sagen, sie dienen gleichzeitig als Vogelscheuchen.«
    Bald kam die Stadt Kataka in Sicht. Genau wie Marrah erwartet hatte, war sie nicht von Mauern umgeben, sondern überall offen zum Wald und den Feldern und zum Fluß hin. Das einzige, was die Stadt von der umliegenden Landschaft trennte, war eine dürftige Hecke aus Rosensträuchern, die an niedrigen Holzgittern emporrankten, nicht höher als die Brust eines Mannes. Der weite Kreis der Sträucher diente wohl zwei Zwecken: Um diese Jahreszeit waren zwar keine Blätter mehr an den Zweigen, aber im Frühling und Sommer würde er die Stadt mit einem Band süß duftender Rosen einfassen, während seine Dornen Ziegen, Kühe und Schafe davon abhielten, durch die Straßen zu wandern.
    Dann folgten sie der Rosenhecke in nordöstlicher Richtung, vorbei an Schweinekoben, Ziegenställen und den glatten, weißverputzten Rückfronten von Mutterhäusern. Kinder winkten ihnen fröhlich zu, Männer und Frauen unterbrachen ihre Arbeit und wandten erstaunt die Köpfe, um die Pferde anzustarren.
    Die Katakaner sahen ziemlich gewöhnlich aus: Sie waren klein und eher stämmig, mit dem braunen Haar, dem gewölbten Brustkasten und der breiten Stirn der Bewohner des Nordens. Die meisten von ihnen trugen pelzgefütterte Umhänge, weil es draußen bitterkalt war; aber diejenigen, die Holz hackten oder andere schwere körperliche Arbeit verrichteten, waren nur mit Leinenhemden, ledernen Beinlingen und unförmigen Schafwollwesten bekleidet. Von der Außenseite der Rosenhecke aus betrachtet sah die Stadt nicht soviel anders als Shara aus, außer daß sie um ein Vielfaches größer war.
    Obwohl Kataka also keine richtige Stadtmauer besaß, gab es doch eine Art Tor, und Marrah und Dalish kamen bald in seine Nähe. Das Tor war wie zwei Hörner geformt oder zwei Mondsicheln, die Spitze an Spitze dastanden, aus rotem, glasiertem Ton geformt und mit den gleichen kreisförmigen Mustern bemalt, die Marrah auf den Getreidetonnen gesehen hatte. Aus der Ferne sah es wie ein menschlicher Mund oder der Schoß eines Frauenkörpers aus. Über dem Tor befand sich eine Inschrift in den heiligen Schriftzeichen – eine der wenigen Inschriften, die Marrah jemals außerhalb eines Tempels gesehen hatte. Sie bestand nur aus zwei Zeichen: dem für »Mutter« und dem für »Kind«.
    Hiknak zügelte ihr Pferd. Schon strömten Menschen aus der Stadt herbei, um sie zu begrüßen, aber im Moment waren sie noch allein. »Was sind das für seltsame Zeichen?« fragte Hiknak und zeigte auf die Inschrift.
    »Das nennt man Schrift. Sie

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