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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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der Stirn trugen; doch im Moment war sie höchst verblüfft über den seltsamen Anblick, als die Fransen wie die Schwanzfedern eines Vogels in dem Wind hin- und herwehten.
    »Wir nennen unsere Tiere ›Pferde«, erwiderte sie höflich. »Es tut mir leid, wenn sie etwas getan haben, was nicht hierher gehört; aber ich nehme doch an, eure Kühe tun das gleiche, nicht wahr?«
    Die Frau schüttelte den Kopf, und der Fransensaum flatterte. »Nein«, sagte sie. Sie zeigte auf den Pfad, und Marrah bemerkte zum ersten Mal, daß er abwechselnd mit Streifen aus schwarzen und weißen Steinen gepflastert war. »Unsere Kühe denken, jene weißen Linien wären Löcher und die schwarzen wären Stangen. Über diesen Weg gehen sie niemals, aus Angst, mit den Hufen darin hängenzubleiben. Wir bringen es ihnen schon in jungen Jahren bei, um sie aus der Stadt herauszuhalten, aber eure Ferse da ...«
    »Pferde«, korrigierte Marrah.
    »Eure ›Pferde‹ wissen es offenbar nicht besser.« Die Frau betrachtete die beiden Stuten und seufzte. »Trotzdem habe ich noch nie schönere Tiere gesehen, und deshalb werde ich euch sofort zu Königin Glyntsa bringen, statt euch absteigen und diese Bescherung beseitigen zu lassen.« Sie lächelte und entblößte dabei eine Lücke zwischen den Schneidezähnen, die groß genug war, um einen kleinen Zweig dazwischenzuschieben. »Ich bin Redra, Torhüterin von Kataka seit den letzten zwölf Jahren. Zu uns kommen viele Pilger – aber soweit ich mich erinnern kann, hatte noch keiner einen so bemerkenswerten Auftritt wie ihr. Wie, sagt ihr, lauten eure Namen? «
    »Hiknak aus dem Norden und ihre Tochter Keshna, und ich bin Marrah, Tochter der Sabalah, Enkelin von Lalah aus Shara.«
    Redras Gesicht wurde ernst bei der Erwähnung ihrer Großmutter. »Ich habe schon von Lalah aus Shara gehört. Sie ließ sich hier von dem alten Imsha in die Mächte der Dunklen Mutter einweihen, aber es ist ihr nie gelungen, jene, die danach kommen, zu sehen.«
    Marrah war erstaunt zu hören, daß ihre Großmutter jemals bei irgend etwas versagt hatte. Sie wollte fragen, wer »das alte Imsha« sei, doch die Torhüterin gab ihr keine Gelegenheit. Sie bedeutete der Menge, beiseite zu treten, und winkte Marrah und Hiknak durch das Tor.
    Innerhalb der Rosenhecke war Kataka nicht weniger beeindruckend als am Abend zuvor, als Marrah die Stadt von den Felsen aus betrachtet hatte, aber auf eine andere Art. Die Straßen schlängelten sich wie schmale Spiralen dahin, mit Flußkieseln gepflastert; die schlichten rechteckigen Konstruktionen der Häuser mit zwei oder drei Räumen waren aus mit Ton verputzten Holzbalken erbaut und von steilen, strohgedeckten Giebeldächern gekrönt. Nur die Tempel wiesen mehr als ein Stockwerk auf; aber diese Eigenheiten der Stadt aufzuzählen hieß nicht, sie angemessen zu beschreiben.
    Das Außergewöhnliche an Kataka stellten seine Keramiken dar. Überall gab es riesige Krüge und überdimensionale Blumenvasen: manchmal standen sie paarweise vor den Türen der Mutterhäuser, dekoriert mit Schlangen oder verschlungenen Weinranken und mit sauber geharkter Erde gefüllt, als warteten sie darauf, daß der Frühling die Samen darin zum Keimen brächte; gigantische Wasserauffangbehälter, verziert mit Regensymbolen, Kreisen, weißen Hunden und Mondsicheln, fielen auf; Kohlenbecken, die wie die Hüften einer Frau geformt waren, glimmten träge in der Kälte, während die Katakaner Fisch darauf grillten oder Töpfe mit Fleischragout über den Kohlen erhitzten.
    Jeder kuppelförmige Brotbackofen war gekachelt und kunstvoll bemalt; jeder Bienenkorb bildete ein Meisterwerk aus Ton und Farbe, jeder Wasserbecher einen reich verzierten zeremoniellen Kelch.
    Die Katakaner schienen einfach unfähig, einen Gegenstand ohne Verschönerung herzustellen. Die simpelste Wasserschöpfkelle war ein Wirrwarr gemalter Kreise und Tupfen, und als Marrah zu den Giebeln der Häuser hochschaute, sah sie Tonmasken auf sich herunterblicken. Einige mußten die Gesichter der Leute darstellen, die das Haus bewohnten, denn es gab Säuglinge, Frauen und Männer aller Formen und Größen; andere waren wiederum das Gesicht der Dunklen Mutter persönlich, schwarz und lieblich, mit geflochtenem Haar und einer Krone aus Eulenfedern. Obwohl sie als die Göttin der winterlichen Erde und der Toten verehrt wurde, hatte sie nichts Furchteinflößendes an sich, und sie begrüßte Marrah jedesmal mit einem rätselhaften Lächeln.
    Die Torhüterin hatte

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