Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
sie jetzt zurückkehrte, war nicht mehr dieselbe Stadt, die sie verlassen hatte, als sie in die Berge hinaufgewandert war, um in die letzten Geheimnisse der Dunklen Mutter eingeweiht zu werden.
Während der langen Monate, die sie sich damit abgemüht hatte, ein perfektes Gefäß für das Imsha zu töpfern, hatten Glyntsa und Kal die Stadt befestigt, unter der Aufsicht von Hiknak, die mehr über Krieg wußte als die beiden zusammen. Die Rosenhecke wand sich noch immer um die gesamte Stadt, jetzt dicht belaubt und in voller Blüte, und als sich Marrah und Hiknak näherten, konnten sie den süßen Duft der Blüten riechen; aber außerhalb der Hecke klaffte ein neuer Graben im Land. Der Graben war ebenfalls ringförmig angelegt, es wuchsen jedoch keine Rosen an seinen Rändern, und keine Bienen summten dort.
Es handelte sich um eine schlammige Aushebung, so tief, wie ein ausgewachsener Mann groß war, ungefähr zwanzig Schritte breit und bestückt mit spitzen Pfählen, die zum Himmel aufragten. Das Erdreich aus dem Graben war auf der am weitest entfernten Seite der Stadt aufgehäuft worden, und die Katakaner hatten bereits begonnen, ein dichtes Gewirr aus Brombeerbüschen auf der Kuppe des kleinen Hügels anzupflanzen.
Der mit Pfählen gefüllte Graben und der dornenbewehrte Hügel bildeten wirkungsvolle Hindernisse, um berittene Krieger abzuhalten; doch Marrah runzelte die Stirn, als sie die beiden Befestigungsanlagen sah. Hiknak hatte gute Arbeit geleistet, aber es blieb etwas Beunruhigendes an dem neuen Kreis, der die Mutterhäuser um-schloß. In Shara hatten sie das meiste dessen, was sie brauchten, auf die Klippen hinaufschaffen können. Jedesmal, wenn sie sich umdrehten, um den Klippenpfad hinunterzulaufen, hatten sie Shara zu ihren Füßen liegen sehen, wie es immer gewesen war: offen zum Land und zum Meer hin.
Aber hier in Kataka gab es keine Klippen, in die sie sich flüchten konnten, falls die Nomaden angriffen – folglich würde ihre Stadt danach niemals mehr wie früher aussehen. Kataka war jetzt ein Fort wie die Befestigungsanlage, die Nikhan auf den Trümmern von Shambah erbaut hatte, nur sehr viel größer.
Am Rand des Grabens waren sie gezwungen, abzusitzen und ihre Pferde an den Pfosten anzubinden, den Hiknak dort für einen solchen Zweck hatte anbringen lassen. Jemand aus Kataka mußte den Pfosten gedrechselt haben, denn er war ein prächtiges Exemplar, über und über mit geschnitzten Rosen, Mondsicheln und Hunden verziert; als Marrah Nretsas Zügel darumschlang, dachte sie wie so oft, daß die Katakaner offenbar unfähig waren, irgend etwas Belangloses zu schaffen.
Als sie an der Seite des Grabens hinuntergingen, bahnten sie und Hiknak sich einen Weg zwischen den scharfen Pfählen hindurch, die weit genug auseinanderstanden, um eine Ziege oder ein Schaf durchzulassen, aber viel zu eng für ein Pferd. Eine Reihe schmaler, schlammiger Stufen waren in die gegenüberliegende Böschung direkt beim Tor eingelassen worden. Sie kletterten mühelos hinauf und betraten die Stadt durch das Tor, das jetzt zwar mit einer massiven, jedoch weit geöffneten Holztür versehen war.
All diese Maßnahmen würden wohl kaum irgendwelche Angreifer abhalten, da man mit einem guten, scharfen Messer leicht die Rosenhecke durchdringen konnte; aber dahinter lagen Stapel von Baumstämmen, aus denen zweifellos ein wirksamer Schutzwall werden würde. Als Marrah durch das Tor ging, fiel ihr auf, daß Redra nirgendwo in Sicht war.
»Sie ist in diesem Frühjahr an einem Lungenfieber gestorben«, erklärte Hiknak, »und Glyntsa muß erst einen neuen Torhüter ernennen.«
Marrah hatte Redra nicht besonders gut gekannt; aber auch aus der Ferne hatte sie ihr gefallen. Redra war eines natürlichen Todes gestorben, der nichts mit den Nomaden zu tun hatte; dennoch standen Marrah all die Jahre vor Augen, in denen Redra an genau diesem Tor gestanden hatte, um Pilger zu begrüßen. Ihr Tod war ein weiteres Zeichen dafür, daß Kataka nie wieder eine Stadt sein konnte, wo Fremde willkommen waren und mit offenen Armen empfangen wurden.
Sie fanden Dalish in Glyntsas Küche, an demselben Tisch sitzend, an dem sie mit Keshna gesessen hatten an ihrem Ankunftsmorgen in Kataka. Eine ganze Anzahl von Leuten drängte sich in dem Raum, einschließlich Glyntsa, Kal und dem größten Teil des Ältestenrates – aber Marrah hatte nur Augen für Dalish. Ein Blick in ihr Gesicht, und Marrah wußte, daß sie schlechte Nachrichten
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