Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
aus dem Paradies zurückkäme, um sich an den Stämmen zu rächen, die es versäumt hatten, ihm zu Hilfe zu eilen. Vlahan haßte seinen Halbbruder mit dem beständigen Glühen eines geschürten Feuers. Nacht für Nacht hatte er wachgelegen und sich ausgemalt, wie prächtig sich Stavans Kopf draußen vor seinem Zelt machen würde – auf einen Pfahl aufgespießt, während seine Augen langsam verfaulten und sein Fleisch in Fetzen abfiel –, aber dank Puhan gab es nichts weiter bei ihm anzutreffen als fünf schlafende Hunde und ein Gestell mit geräuchertem Pferdefleisch.
»Du bist wahrlich ein Held, Puhan.« Wieder trat eine lange Pause ein, und Puhan wünschte sich inständig, er wäre zurück in seinem eigenen Zelt. Vlahan starrte ihn erneut wortlos an, und etwas Grausames flackerte in seinen Augen auf. Ich sollte den elenden Wicht strangulieren lassen, dachte er. Aber wenn er Puhan erwürgen ließe, käme das praktisch dem Eingeständnis gleich, daß Stavans Tod nicht genügt hatte, um den Verlust von Arang wettzumachen. Nein, er würde den windigen, schieläugigen Viehdieb wie einen Helden behandeln müssen, ob es ihm nun paßte oder nicht. Diese Erkenntnis verbesserte nicht eben Vlahans Laune.
»Nun, was meinst du, welche Belohnung du für deine Tat verdienst? «
Puhan öffnete den Mund und klappte ihn dann wieder zu, wie gelähmt von Vlahans drohendem Blick.
Der Häuptling beugte sich vor und lächelte hinterhältig. Ihm war gerade ein perfekter Ausweg eingefallen, wie er Puhan belohnen und gleichzeitig strafen konnte. »Hast du nicht neulich gesagt, du würdest dir gerne noch eine weitere Ehefrau zulegen? Was für ein Hengst du doch bist, Puhan! Was für ein Held! Mit einer schönen Ehefrau wie Shakshak, die kein normaler Mann befriedigen könnte, bittest du darum, dir
noch eine
nehmen zu dürfen? Aber warum nur eine weitere? Warum nicht gleich mehrere? Ein großer Held wie du sollte viele Söhne zeugen!«
Puhans Gesicht nahm die Farbe gebleichter Wolle an, und er schnappte erschrocken nach Luft. Seine Ehefrau Shakshak war das eifersüchtigste Weib im ganzen Lager, und wenn er eine Rivalin in ihr Zelt brächte, würde sie ihm die Augen auskratzen. Ein anderer Mann hätte Shakshak vielleicht durch Prügel gefügig gemacht, aber er hatte es nie gewagt, sie zu schlagen. Sie war gut zwei Köpfe größer als er und kräftig gebaut; einmal hatte sie angedeutet, ihn im Schlaf zu töten, wenn er auf die Idee käme, eine andere Frau auch nur anzusehen.
»Ah«, fuhr Vlahan fort, »ich sehe deutlich, daß dir die Idee gefällt. Als Belohnung, du Gockelhahn, du Bulle, du Mann unter Männern, gebe ich dir Utak, Schwester von Druhan, Erutak, Tochter von Sdruhan, und Hwerkak, Witwe von Arawetahan, als deine zweite, dritte und vierte Ehefrau.«
Puhan hätte Vlahan am liebsten auf Knien angefleht aufzuhören, aber er wagte es nicht. Dies war der reinste Alptraum. Die Witwe Hwerkak hatte fünf Kinder, die er ebenfalls würde ernähren müssen – fünf dicke, laute, unangenehme Mädchen, die bei jeder Mahlzeit die Menge ihres eigenen Gewichts verdrückten. Puhan spähte ängstlich zu Shakshak hinüber, die ihn vom Rand der Menge her giftig anfunkelte, und er wußte, er würde nie wieder einen Moment Frieden in seinem Zelt haben.
»Du erweist mir zuviel der Ehre, Rahan! « rief er verzweifelt. »Ich bin es nicht wert.«
»Unsinn«, erwiderte Vlahan energisch. »Du bist ein Held. Tatsächlich denke ich sogar, daß drei Frauen nicht genug der Ehre sind; deshalb werde ich dir noch die fünf Shubhai-Konkubinen dazugeben, die wir bei unserem großen Sieg geraubt haben. Sie sind alle jünger und sogar noch hübscher als Shakshak.«
Neun Frauen in seinem Zelt! Was für ein Untergang! Puhan überlegte, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn er Vlahan bat, ihn auf der Stelle zu töten, um diesem Alptraum ein Ende zu bereiten. »Danke, Rahan!« jammerte er. »Danke, großzügigster aller Häuptlinge! «
»Tritt vor«, befahl Vlahan, »und setz dich hier neben mich –solltest du gern noch mehr Frauen haben, brauchst du nur ein Wort zu sagen. Du bist unser großer Held Puhan, und ich werde dir keinen Wunsch abschlagen.«
Niedergeschmettert schlich Puhan nach vorn und hockte sich neben Vlahan. Seine Schultern hingen schlaff herab, und seine Krone aus Wolfsfell rutschte bis auf seine Augenbrauen. Kein Held hatte je kläglicher ausgesehen.
Vlahan erhob sich, um eine Ansprache an seine Krieger zu halten. Sämtlichen Männern
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