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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Süßwassersee.
    Tatsächlich hatten sie es geschafft, den Nomaden zuvorzukommen; doch obwohl Marrah wußte, daß sie sich freuen und erleichtert sein sollte, schnürte sich ihre Kehle beim Anblick der vielen leerstehenden Häuser schmerzlich zusammen.
    Shara erinnerte sie an die verlassenen Dörfer, die sie im Norden von Shambah erlebt hatte. Es war so totenstill, daß sie die Brandung auf den Strand schlagen und die Zikaden in den Feldern zirpen hörte. Auf dem zentralen Versammlungsplatz ringelte sich die blaue und orangefarbene Schlange der Ewigkeit zwar noch immer von Fliese zu Fliese; aber keine Kinder spielten Fangen, keine alten Leute tauschten den neuesten Klatsch unter den Sonnensegeln, keine Mutterclans saßen vor ihren Häusern und schuppten Fische ab oder gerbten Häute.
    In den Tempeln war das Leinengarn in aller Eile von den Webstühlen genommen worden, und die eulenförmigen Gewichte lagen auf den Böden verstreut, die Feuer in den Brotöfen – die dauernd gebrannt hatten, solange Marrah sich zurückerinnern konnte –waren verlöscht, und feiner Töpferton trocknete, nachlässig in Körbe geworfen, aus und wurde rissig. Selbst die Fischerboote zeigten sich nicht mehr, und die Raspas mit den weißen Segeln, die um diese Jahreszeit vor der Küste zu ankern pflegten, waren nirgendwo in Sicht.
    Als sie zu Lalahs Haus kamen, fanden sie es ebenfalls verlassen vor. Marrah wanderte von Zimmer von Zimmer, während sie sehnsüchtig an Stavan und Keru und Luma dachte und wie glücklich sie einst alle unter diesem Dach gewesen waren. Als sie ihr gemeinsames Schlafabteil betrat – das leer wie alle anderen Räume war –, setzte sie sich auf den Boden, vergrub ihr Gesicht in den Händen und überließ sich ihrer Trauer.
    Als die Tränen schließlich versiegten, trocknete sie sich die Augen an ihrem Ärmel, erhob sich auf die Füße und fuhr fort, das Haus zu erforschen. Ein paar Gegenstände fand sie noch: ein Kamm, der Kusine Inhala gehört hatte; eine von Barrashs alten, abgewetzten Tuniken; alle größeren Töpfe und Vorratskrüge; aber die Schlafdecken aus Schaffell fehlten allenthalben, und an den Dachbalken hing nicht einmal mehr eine einzige Schnur mit getrockneten Apfelscheiben.
    »Lalah hätte uns wenigstens ein paar Laibe Brot dalassen können«, knurrte Dalish. »Sie wußte doch, daß ich euch drei sofort zurückbringen würde.«
    Marrah ging hinaus zu den Gemüsegärten hinter dem Ziegenzaun, aber alles war gepflückt oder ausgegraben worden. Die Erde sah frisch umgegraben aus – es konnte höchstens ein paar Tage her sein.
    »Deine Leute sind gewitzt«, sagte Hiknak. »Sie lassen dem Feind nichts zu essen übrig.« Sie beschattete ihre Augen und blickte hinaus auf die Felder, wo der reife Weizen taillenhoch in der Brise wogte. »Den Weizen haben sie allerdings zurückgelassen, was ein Fehler ist. Die Hansi wissen zwar nicht, wie man ihn erntet – aber wenn Vlahan sieht, daß es hier soviel Futter gibt, dann treibt er gerne seine Pferde dorthin zum Weiden, und wir werden ihn nie wieder los.«
     
    Sie ließen die ausgestorbene Stadt hinter sich und ritten nach Süden durch die Felder. Als sie sich den Klippen näherten, versuchte Marrah sie mit den Augen der Nomaden zu betrachten: Aus einiger Entfernung sah der Felsgrat wie eine unregelmäßige Granitwand aus, mit von Rissen und Sprüngen durchzogenen und von losem Geröll bedeckten Steilhängen. Der Pfad zum Tempel schlängelte sich in einem Dutzend zickzackförmiger Windungen vor und zurück, bis er die breite Anzahl von Vorsprüngen erreichte, wo die Sharaner ihre Zelte aufgeschlagen hatten.
    An einigen Stellen war der Pfad fast eben, während er an anderen so steil anstieg, daß Seile von Fels zu Fels gespannt worden waren, um es Pilgern zu ermöglichen, sich daran hochzuhieven. Die meisten eingeborenen Sharaner konnten den Aufstieg ohne Hilfe bewältigen, aber rechts und links des Wegs fiel der Boden derart senkrecht in die Tiefe, daß es jeden, der vom flachen Lande stammte, schwindeln mußte.
    Der tiefergelegene Teil des Pfades bestand hauptsächlich aus festgetretener Erde und war breit genug, daß zwei Personen bequem aneinander vorbeigehen konnten; doch nach ungefähr drei Vierteln der Strecke verwandelte sich die Erde in glatten Fels, und der Pfad wurde zunehmend schmäler. Hier war jeder Schritt aus der Granitfassade der Klippen herausgehauen worden – vor vielen Generationen bereits, als sich die ersten Pilger eingestellt hatten, um

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