Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin
»Hilfe! Nomaden!« Er hatte die Worte noch kaum ausgesprochen, als der Krieger das Seil losließ und sich auf Arang stürzte wie ein Habicht, der auf einen Spatz niederschießt. Arang packte den Mann, und der Mann packte Arang –einen Moment kämpften und rangen sie verbissen miteinander auf schmalstem Raum.
Arang sah ein dunkles Gesicht, weiße, blitzende Zähne und die Knochenklinge eines Dolches. Blitzschnell wich er zurück, duckte sich und rammte dem Krieger, so hart er kannte, seinen Kopf in den Bauch, worauf beide den Halt verloren und über den Rand des Pfades stürzten. Noch bevor Arang Zeit fand zum Nachdenken, flog ihm der Erdboden entgegen, und er prallte so hart auf dem steinigen Grund auf, daß er einen Moment lang keine Luft mehr bekam.
Er lag auf dem Rücken, völlig verblüfft und schmerzlich nach Atem ringend. Durch einen glücklichen Zufall waren sie beide auf eine tiefergelegene Pfadbiegung gestürzt, statt ganz bis zum Fuß der Klippen hinunterzufallen.
Der Krieger, der auf ihm gelandet war, sprang auf die Füße und stieß den Hansi-Schlachtruf aus. Dann packte er Arang bei den Haaren, riß seinen Kopf zurück und holte mit seinem Dolch aus, um ihm die Kehle durchzuschneiden und seinen Kopf zu erbeuten. Plötzlich hielt er mitten in der Bewegung inne und senkte seinen Arm.
»Ha!« schrie er, legte seine Hände fest um Arangs Wangen und zog seinen Kopf zu sich heran wie ein Liebhaber, der seinem Mädchen einen Kuß auf die Lippen drücken will. »Ha!« rief er noch einmal triumphierend.
Oben im Lager der Sharaner loderten helle Fackeln, und die Wachtposten schlugen gewaltigen Alarm. Als der Mann Arangs Gesicht herumdrehte, um seine Züge im Lichtschein besser erkennen zu können, entdeckte Arang die Lücke im Pfad oberhalb von ihnen. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen weiteren bewaffneten Krieger, der soeben an dem Seil herunterglitt, und hörte das Vibrieren einer Bogensehne – eines sharanischen Bogens, wie er inständig hoffte – und das Zischen eines Pfeils; dann zerrte der Mann, der ihn überwältigt hatte, seinen Kopf wieder herum und schüttelte ihn, bis seine Zähne klappernd aufeinanderschlugen.
»Arang, Enkelsohn von Zuhan!« frohlockte der Krieger. »Bei Han, es ist der kleine Große Häuptling persönlich!«
»Chirkhan!» japste Arang.
Der Fährtensucher lächelte siegreich und zog Arang auf die Füße. Auf den Klippen über ihnen tobte eine grimmige Schlacht, aber Chirkhan war der Ausgang inzwischen ziemlich gleichgültig. Er hatte einen Fang gemacht, die sehr viel mehr wert war als alles, was er im Lager der Sharaner hätte erbeuten können. Mit raschen, geschickten Bewegungen fesselte er Arang die Hände auf dem Rücken, hielt ihm die Spitze seines Dolches an die Kehle und schob ihn den Pfad talwärts, um seine Belohnung einzukassieren.
Oben auf dem Felsvorsprung kämpften die Sharaner um ihr Leben. Jetzt waren es ihre Pfeile, die nach oben zielten, und die der Nomaden, die nach unten zeigten. Während Jutima und die übrigen Wachen im Fackelschein standen und versuchten, den nächsten Krieger von dem Seil abzuschießen, ließen die Krieger auf dem Grat einen tödlichen Hagel von Pfeilen herab, die durch die Luft sausten, scheppernd auf dem Boden landeten und sich am Kopf des Klippenpfades wie Feuerholz stapelten.
Wenn die Hansi nicht erneut gezwungen gewesen wären, schräg zu zielen, wären sämtliche sharanischen Wachtposten innerhalb kürzester Zeit dahingemäht worden. Dennoch waren die Verluste schrecklich. Vier Wachen waren verwundet und zwei gleich bei jenem ersten Angriff getötet worden; als die Sharaner sahen, wie ihre Gefährten um sie herum fielen, warfen einige ihre Waffen nieder und rannten zu den Verletzten und Sterbenden, um sie wegzuziehen und in Sicherheit zu bringen.
»Sie versuchen, uns zurückzudrängen!« schrie Jutima. »Los, schießt weiter! « Angefeuert von ihrer Stimme, wehrten sich die übrig gebliebenen Wachen erbittert und schossen, bis sie den Krieger am Seil trafen und er kopfüber in die Tiefe stürzte.
Sofort nahm der nächste Angreifer seinen Platz ein, und als er tief genug an dem Seil herunterhing, schossen sie auch ihn ab. Inzwischen waren zwei weitere Wachen verwundet worden, aber der Rest kämpfte unbeirrt weiter mit einem beispiellosen Mut; die Nomaden waren überrascht, da sie angenommen hatten, die Sharaner würden in Panik davonlaufen, sobald einer der Ihren im Kampfe fiel.
Nachdem die Wachen zwei weitere
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