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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Lagers, wo die Hansi ihre Zelte errichtet hatten.
    Keiner nahm Notiz von ihr – das heißt: Sie blickten sie zwar an, aber sahen sie nicht, weil sie zu intensiv beschäftigt waren, mit ihrer eigenen Angst fertig zu werden. Was bedeutete schon eine weitere dünne, blonde Nomadenfrau unter so vielen schreienden, verängstigten Ehefrauen und Konkubinen? Selbst wenn sie barhäuptig war und mit einem Speer bewaffnet...
    Es sah fast zu einfach aus. Hiknak hatte sich auf einen Kampf vorbereitet, doch als sie den Lagerplatz der Hansi erreichte, waren die meisten von ihnen bereits auf und davon. Nur Vlahans großes weißes Zelt stand immer noch unberührt da. Sie strebte geradewegs darauf zu, ohne von irgend jemandem zurückgehalten oder befragt zu werden. Vor dem Zelt befanden sich keine Wachen – es waren überhaupt nirgendwo Wachen zu sehen. Vielleicht hatten sie ebenfalls das Weite gesucht oder auch das Zeitliche gesegnet. Auf jeden Fall gab es keine mehr.
    Vlahans Ehefrau Timak verhielt sich desgleichen auffällig abwesend. Vielleicht hat das gräßliche alte Weib am Abend von der Fischsuppe gekostet, dachte Hiknak; und als sie sich daran erinnerte, wie gnadenlos Timak sie seinerzeit verprügelt und schikaniert hatte, empfand sie erneut eine gewisse Genugtuung angesichts der Gerechtigkeit eines solchen Endes.
    Hiknak streckte die Hand nach der Zeltklappe aus und schob sie beiseite. Die Klappe war nicht einmal von innen dicht gemacht. Laß den Bastard dort drinnen sein und bitte mach, daß er noch am Leben ist! betete sie stumm, obwohl sie nicht hätte sagen können, zu welchem Gott; zu Han hatte sie kein Vertrauen mehr, und die Göttin der Sharaner war viel zu barmherzig für ein solches Werk.
    Den Speer konnte sie im Inneren des Zeltes nicht benutzen, deshalb ließ sie ihn zurück, zog ihren Dolch aus der Scheide und schlüpfte hinein.
    Ein kleines Feuer brannte in der Grube unter dem Rauchabzugs-loch, und in seinem Licht konnte Hiknak sofort erkennen, daß sie um ihre Rache betrogen war.
    Vlahan lag mit dem Gesicht nach unten auf den Schaffellen, alle viere von sich gestreckt, wo er sich übergeben hatte. Zutiefst enttäuscht darüber, daß er bereits tot war, stand sie einen Moment da, den Dolch in der Hand, und überlegte, ob sie seinen Kopf nehmen sollte – aber was hätte das für einen Sinn gehabt? Die Sharaner würden eine solche Trophäe grauenerregend finden, und nachdem sie nun etliche Jahre unter ihnen gelebt hatte, mußte sie zugeben, daß sie genau das gleiche empfand. Sollte Vlahan ruhig seinen Kopf behalten, auch wenn er damit nun zu keinen Schandtaten mehr fähig war.
    Hiknak wandte sich zum Gehen, doch sobald sie draußen in tiefen Zügen die frische Nachtluft einatmete, erinnerte sie sich, wie sie ihren Vater einmal zu einem ihrer Onkel hatte sagen hören, daß sich ein guter Krieger stets gründlich von dem Tod seiner Feinde überzeuge. So wappnete sie sich ein zweites Mal gegen den übelkeiterregenden Gestank und ging in das Zelt zurück.
    Glücklicherweise hatte sie sich dazu entschlossen, denn als sie sich Vlahans vermeintlichem Leichnam näherte, sah sie, wie er sich bewegte. Als sie sich neben ihn niederhockte, um ihn genauer zu betrachten, erkannte sie, daß er wahrscheinlich gar nicht vergiftet war. Er befand sich in einem ihr nur allzu vertrauten Zustand, in dem sie ihn während ihrer Konkubinenzeit fast jeden Abend erlebt hatte: sinnlos betrunken.
    Sie hätte ihm ohne jede Gefahr für ihr eigenes Leben die Kehle aufschlitzen und sich an ihm rächen können, aber sie war die Tochter eines Tcvali-Häuptlings, und so etwas taten Tcvalis einfach nicht. Hiknak erhob sich wieder und versetzte ihm einen kräftigen Fußtritt in die Rippen. »Wach auf, du Bastard! « schrie sie. »Wach auf und kämpfe! «
    Vlahan schlug die Augen auf; als ihm bewußt wurde, daß er in dem Ergebnis seiner Trunksucht geschlafen hatte, schnaubte er voller Ekel und setzte sich langsam auf.
    Am frühen Abend hatte er alle fünfzehn Unterhäuptlinge aufgesucht, was bedeutete, daß er bei fünfzehn verschiedenen Gelegenheiten Kersek trinken mußte. Als er schließlich in sein Zelt zurückgekehrt war, hatte Timak ihm eine Schüssel Fischsuppe angeboten, aber er war viel zu benebelt gewesen, um noch irgend etwas herunterzubekommen – ein glücklicher Zufall, dessen er sich jedoch nicht bewußt war, denn als das Gift begann, sein tödliches Werk zu vollbringen, hatte es niemand gewagt, ihn zu wecken.
    Vlahan war völlig

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