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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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»Scharfsicht« nannten – nichts entging ihrer Aufmerksamkeit. Eines Tages konnte Luma diese Gabe vielleicht nutzen, um der Göttin zu dienen und eine große Priesterin zu werden, aber im Moment war sie sensibler, als einer normalen Sechsjährigen gut tat.
    »Eine Geschichte, eine Geschichte!« bettelten die Zwillinge einstimmig. Marrah blinzelte, abrupt aus ihren Gedanken gerissen, und nahm wieder drei saftige Erdbeeren aus dem Korb.
    »Vor langer Zeit«, begann sie. »Vor sehr, sehr langer Zeit, das heißt, im letzten Sommer, als ihr erst fünf wart ...« Die Kinder, die im nächsten Monat ihren sechsten Geburtstag feiern würden, lachten. »Also, vor langer Zeit kam ich mit Dalish und den Jägern von den Klippen herunter und ging zu den Ruinen von Shara, das die Nomaden zu Asche verbrannt hatten.« Sie erwähnte nichts von der beklemmenden Angst, die sie gefühlt hatte, von den Leichen, die sie zwischen den Trümmern zu finden fürchtete, und von ihrer unendlichen Erleichterung ; als sie keine fanden. »Und als ich das schlammige Feld erreichte, wo die Nomaden ihre Zelte errichtet hatten, was meint ihr wohl, wen ich da sah?«
    »Onkel Arang! « riefen sie einstimmig.
    »Ja, Onkel Arang. Und wißt ihr auch, was Onkel Arang zu mir sagte? «
    »›Komm mit in den Wald, Marrah.‹«
    »Richtig, genau das sagte er: »›Komm mit in den Wald, Marrah. Ich muß dir etwas zeigen.‹ Und so rannte ich in den Wald, und ich fand ...«
    »Mich!« brüllte Keru begeistert.
    »Richtig, dich!« Marrah lachte und küßte ihn auf die Nase. »Ich fand dich in Hiknaks Armen, und du hast tief und fest geschlafen.« Sie sagte nicht, daß sie bei seinem Anblick zuerst dachte, er wäre tot. Als sie schließlich erkannte, daß er nur von Drogen betäubt war, hatte sie geschluchzt, ihn an sich gepreßt und sich geschworen, Changar zu töten, weil er ihrem Kind so etwas angetan hatte – nur daß ihr das verwehrt blieb, denn Changar war verschwunden.
    »Hiknak hat dich mir in die Arme gelegt, Keru, und ich habe dich an mich gedrückt und geküßt.« (Und Hiknak sagte: »Vlahan ist tot. Ich habe den Bastard erstochen, und hier hast du deinen Sohn zurück«, aber dies war keine Geschichte für Kinder.) Marrah fuhr fort: »Und ich sagte zu ihr: ›Wo hast du ihn gefunden?‹, und Onkel Arang sagte: ›Die Nomaden sind davongelaufen und haben uns beide zurückgelassen, weil sie .. .‹ «
    »Weil sie Angst vor dem Schlangen-Vogel-Fluch hatten! « Luma und Keru kicherten. Sie wußten, daß es keinen solchen Fluch gab, und es erheiterte sie, daß Erwachsene an etwas so Dummes hatten glauben können.
    Marrah zog ihre Kinder fester an sich und dachte an all die Dinge, die zu erfahren sie noch zu jung waren. Sie dachte an die Krieger, die die giftigen Muscheln gegessen hatten; an die völlig verängstigten Frauen und an die Skelette, die überall aus den Brombeerbüschen zwischen Shara und dem Rauchfluß hervorgrinsten. Aber am häufigsten dachte sie an den grauenvollen Ort, den Arang und Hiknak ihr damals gezeigt hatten.
    Eine Stelle im Wald, in der Nähe des Flusses, war sorgfältig von Gestrüpp und Unterholz befreit worden: eine breite Fläche, auf der dicht an dicht frisch geschlagene Pfähle aus dem Boden ragten.
    (»Vlahan führte ein vollkommenes Auslöschungsopfer im Schilde«, hatte Hiknak erklärt, die ersten Pfähle herausgezogen und auf den Boden geworfen. Marrah und Arang legten mit Hand an; bald stießen auch die ehemaligen Sklavinnen und Konkubinen dazu, und alle hatten gemeinsam bis zur endgültigen Erschöpfung gearbeitet. Gegen Mittag stand kein einziger Pfahl mehr. Später hatten sie sie verbrannt, und der Rauch des frischen, noch feuchten Holzes war allen aufs Gemüt geschlagen, aber auch dies eignete sich nicht als Geschichte für Kinder.)
    »Ungefähr zwei Wochen später«, fuhr Marrah fort, »kehrten die Boote von der Insel Byana mit den stillenden Müttern, den Kindern und Säuglingen zurück, die wir aus Sicherheitsgründen dorthin geschickt hatten. Eines Nachmittags stand ich am Strand und blickte auf das Meer hinaus – da sah ich ...«
    »Mich!« schrie Luma. »Du hast mich gesehen! Und du bist ins Wasser gelaufen, bis es dir um die Taille schwappte, und hast mich aus dem Boot gezogen und hast mich geküßt und gesagt ...«
    »Jetzt habe ich endlich mein kleines Mädchen wieder!«‹
    »›Jetzt habe ich endlich mein kleines Mädchen wieder!‹ Und du hast geweint.«
    »Vor Freude«, erläuterte Marrah. »Weil meine

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