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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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nicht umhin zu bemerken, daß sie zu scharfen Spitzen abgefeilt waren.
    Der Mann nahm einen Schluck und reichte den Krug dann weiter.
    Jeder Ankömmling trank abwechselnd, während er sich den Mund mit dem Handrücken abwischte und zweifelnd zu Marrah hochstarrte. Trinken war ein heiliger Ritus bei den Nomaden, und da sie wahrscheinlich noch niemals Wein gekostet hatten, mußten sie ihre Verwirrung unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung unterdrücken. Marrah bemerkte, daß das Mädchen nichts zu trinken bekam, was auch gut war, denn sie war noch viel zu jung für ein so starkes Getränk.
    Als der Krug die Runde gemacht hatte, ergriff Marrah erneut das Wort. »Zu welchem Stamm gehört ihr, tapfere Krieger?« Auch dies war eine rein formale Frage, weil sie die Antwort bereits wußte.
    »Zum Stamm der Shubhai, Rahan.«
    Marrah war überrascht, sich als Rahan bezeichnet zu hören –was »Sohn von Han« hieß und als Anrede für Häuptlinge galt –, aber soweit sie wußte, hatten die Nomaden kein Wort für eine mächtige Frau, also mußte sie notgedrungen Rahan sein.
    »Wer ist der tapfere Häuptling, der euch anführt? «
    »Nikhan, Rahan.«
    Nun, das lag wohl auf der Hand. Erst jetzt durfte sie endlich die Frage stellen, die ihr am Herzen lag: »Und welche Nachrichten bringt ihr, Krieger von Nikhan?« Große Göttin, dachte Marrah ungeduldig, nun sitzt doch nicht da wie stumme Statuen! Redet doch endlich! Aber sie achtete sorgfältig darauf, eine ausdruckslose Miene beizubehalten.
    »Unsere Botschaft ist für Marrah, Häuptling der Sharaner.«
    Marrah entschied, daß dies nicht der geeignete Zeitpunkt für eine Erklärung war, daß es bei den Mutterleuten keine Häuptlinge gab. »Ich bin Marrah. Was hast du zu überbringen?«
    Der Krieger räusperte sich. »Stavan, Sohn von Zuhan, schickt all seine Zuneigung und Grüße und sagt...«
    »Er
lebt!«
jubelte sie. »Bei den süßen Freuden der Göttin, ich wußte doch, daß er nicht tot sein konnte!«
    Sofort ging ihr auf, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Sie war so glücklich und erleichtert, daß sie am liebsten auf die Knie gesunken wäre, um den Boden zu küssen und der Göttin Erde für dieses Wunder zu danken – aber sie war eine Königin mit den Pflichten einer Königin, und so biß sie sich auf die Lippen, ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, ihre Erregung niederzukämpfen. »Sprich weiter«, befahl sie streng und stand hochaufgerichtet und mit gestrafften Schultern da, wie es sich für eine Herrscherin gehörte.
    Der Krieger blickte sie unsicher an. Nomadenboten waren es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden. Er begann von neuem: »Stavan, Sohn von Zuhan, schickt all seine Zuneigung und Grüße an Marrah aus Shara und sagt folgendes:
Gute Neuigkeiten. Die Zwanzig Stämme existieren nicht mehr, die Macht der Hansi ist gebrochen, und die Nomaden kämpfen untereinander. Die Mutterländer sind in Sicherheit, unsere Kinder sind in Sicherheit; freue dich. «
    Marrah wollte mehr tun, als sich zu freuen. Alles in ihr drängte danach, zu tanzen, zu lachen und zu jubeln, ja, vor Glück in Tränen auszubrechen, aber diesmal bezwang sie sich. Denn wenn sie den Krieger noch einmal unterbrach, würde er die Nachricht zum dritten Mal von Anfang an wiederholen.
    »Stavan, Sohn von Zuhan, sagt zu Marrah aus Shara:
Meine Liebste, ich hätte mit dir gegen Vlahan gekämpft; aber bis vor ein paar Monaten war ich Gefangener von Rikhan, dem Häuptling der Xarkarbai, der mich besinnungslos auf dem Schlachtfeld fand und der – in der
Annahme, ich wäre tot – meinen Körper wegtrug, um mir meinen Gürtel und die Stiefel abzunehmen.«
    Der Krieger mußte eine Atempause machen. Einen Moment herrschte Schweigen, während er sich mit einem Schluck aus dem Weinkrug erfrischte. Marrahs Hände schlossen sich fester um das Geländer, und sie preßte die Lippen zusammen, um sich selbst daran zu hindern, ihn zum Weitersprechen zu drängen.
    »Stavan, Sohn von Zuhan, sagt zu Marrah aus Shara:
Rikhan, die Kröte, hielt mich in seinem Zelt gefangen, an Händen und Füßen gefesselt. Als ich zufällig hörte, wie seine Krieger sagten, Vlahan, der Bastard, sei in die Mutterländer gezogen, um Arang zum zweiten Mal gefangenzunehmen und gegen einen Stamm zu kämpfen, den er die ›Shara‹ nannte, kannte meine Verzweiflung keine Grenzen, und ich brannte darauf, zu fliehen und dich zu warnen. Aber die Lederfesseln waren zu stark, die Wachen zu viele, und Rikhan hatte Pläne, mich gegen

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