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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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anderen Teil des Hauses aß Dalish gerade Honig mit frischem Brot.
    »Gib mir auch etwas«, bat Jutima.
    Dalish strich etwas Honig auf ihre Lippen und küßte Jutima, und beide kicherten.
    »Was machst du morgen?« wollte Jutima wissen.
    »An meiner Maske für das Fest der Tiere arbeiten.«
    »Welches Tier wirst du darstellen?«
    »Ich dachte, ich würde ausnahmsweise mal ein menschliches Gesicht tragen.«
    Jutima streckte eine Hand aus und berührte sanft die Tätowierungen auf Dalishs Wangen, während sie mit einer Fingerspitze die blauen, weinrankenähnlichen Muster nachzeichnete. »Du solltest so etwas wirklich nicht sagen, Dalish. Die Bilder auf deinem Gesicht sind wunderschön. Wie malerische Geißblattranken.«
    »Das Einritzen war jedenfalls alles andere als schön.« »Hat es sehr weh getan?«
    Dalish nickte. »Irehan der Feige, mein erster Herr und Gebieter, ließ mich von zwei seiner Ehefrauen auf dem Boden festhalten, während die dritte mit der Spitze ihres Dolches ein Muster in mein Gesicht ritzte und eine Art gelben Pflanzensaft in die Schnittwunden rieb. Am nächsten Tag hatte sich der Saft blau verfärbt.«
    Jutima nahm Dalishs Hand, und sie schwiegen einen Moment. »Hast du schon mal die Geschichte der verschleierten Göttin des Mondes gehört? « fragte Jutima. Dalish schüttelte den Kopf. »Bevor sie ihren Schleier anlegte, war die Göttin so schön, daß die Menschen an nichts anderes mehr denken konnten, wenn sie sie zu Gesicht bekamen. Sie konnten nicht arbeiten und nicht tanzen, fütterten ihre Tiere nicht mehr, konnten nicht einmal mehr essen. Wenn Männer und Frauen sie erblickten, wurden sie krank vor Liebe. Deshalb erbarmte sich die Göttin ihrer. Sie verhüllte ihr Gesicht mit einem Schleier, aber auch das half nichts. Ihre Seele war so gütig und strahlend, daß ihre Schönheit dennoch hindurchschien, und wenn du in den Himmel hinaufschaust ...«, Jutima wies aus dem Fenster, »... kannst du sie stets sehen, und ihre Schönheit übersteigt noch immer fast die menschliche Fassungskraft.«
    Dalish betrachtete den Mond. »Das erfindest du alles nur«, erwiderte sie. »Du erzählst mir ein selbst ausgedachtes Märchen. Dies hier ist Dalish, mit der du redest. Ich wurde einmal dazu ausgebildet, Priesterin zu sein, erinnerst du dich? Der Mond war niemals eine verschleierte Göttin.«
    Jutima machte ein verlegenes Gesicht. Sie räusperte sich und griff nach dem Laib Brot, doch statt ein Stück davon abzubrechen, saß sie nur da und hielt ihn in ihrem Schoß. »Du hast recht«, gestand sie schließlich. »Ich habe mir die Geschichte tatsächlich ausgedacht. Aber ich habe es nur deshalb getan, weil ich dich liebe und weil du wissen sollst, daß dein Gesicht trotzdem wunderschön ist – ganz gleich, was die Nomaden damit angestellt haben.« Sie hielt inne. »Um die Wahrheit zu sagen: Ich würde dich auch dann lieben, wenn du ein Gesicht wie ein Kohlkopf hättest.«
    Dalish lachte. »Ein Gesicht wie ein Kohlkopf! Also das nenne ich wahre Ergebenheit! Jutima, du bist eine süße, hoffnungslose, sentimentale Närrin und die schlimmste Lügnerin, die mir je begegnet ist; aber ich muß zugeben, daß du es geschafft hast, mich ein wenig zu trösten.«
    »Dazu sind Geliebte schließlich da«, erwiderte Jutima. Sie zog Dalish an sich und küßte sie lange Zeit. »Und jetzt«, sagte sie atemlos, als der Kuß beendet war, »sag mir die Wahrheit. Was für eine Art Maske fertigst du 
wirklich
 an für das Fest der Tiere?«
    »Ich werde als Frosch gehen.«
    »Was du nicht sagst«, meinte Jutima grinsend. »Nun, irgendwie paßt es zu dir.«
     
    Nicht jeder Sharaner ergab sich in jener Nacht der Liebe: Erschöpft von einem ganzen Tag harter Arbeit mit den Pferden waren Marrah und Stavan wie zwei Kinder in den Armen des anderen eingeschlafen; Lalah lag seitlich ausgestreckt und genoß das Gefühl, die Schlafmatte ganz für sich allein zu haben; und es gab auch Menschen in der Stadt, die von der Wiege bis zur Bahre niemals Verlangen spürten. Aber wenn Batal die Wände der Mutterhäuser durchsichtig gemacht hätte, hätte man viele von sanftem Lampenschein erhellte Schlafabteile sehen können und sich bewegende Schatten und Liebende, die einander zuflüsterten. Der Beischlaf war den Sharanern heilig. Sie glaubten, er verbinde zwei Menschen miteinander und helfe ihnen, in Harmonie zu leben.
    Als Hiknak die Einheimischen kurz nach ihrer Ankunft gefragt hatte, was sie für die größten Geschenke der Göttin

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