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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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sie über die Maßen schätzte, wie Stavan sehr wohl wußte; aber heute abend gab ihr der Mond das Gefühl, nackt und hilflos wie ein gerupfter Spatz zu sein. Als sie aufschaute und das heilige Mondkaninchen sah, begrüßte sie seinen Anblick nicht mit der gewohnten Freude. Statt dessen krümmte sie sich zusammen, versuchte, sich so klein und unauffällig wie möglich zu machen, und betete um Wolken und Schneefall.
    Aber am Himmel zogen keine Wolken auf. Es war eine ruhige, windstille Nacht und so kalt, daß Eisblumen auf den Ärmeln ihrer Umhänge blühten. Ohne die Körperwärme ihres Pferdes zwischen ihren Schenkeln hätte sie erbärmlich gefroren; aber sie und das Tier wärmten sich gegenseitig, und allmählich versank Marrah in einen tranceähnlichen Zustand, eingelullt von den gleichmäßig sanften Schaukelbewegungen ihrer Stute. Als sie schließlich anhielten, schreckte sie hoch, als wäre sie abrupt aus einem langen Traum aufgewacht. Eine Weile saß sie reglos im Sattel und horchte angestrengt, doch die Luft war noch immer unbewegt, und alles, was sie hören konnte, war das Schnauben der Pferde und das Klopfen ihres eigenen Herzens.
    Stavan stocherte im Schnee herum, sammelte einen Armvoll verdorrten Grases und breitete es auf dem Boden aus. Dann stapelte er ihre Umhänge auf dem Gras und wies sie an, sich im Kreis darauf zu setzen, mit den Füßen zur Mitte, und sich eine Decke über den Kopf zu legen, um so eine Art Zelt zu bilden. Er nannte es eine »Wärmefalle«, und es war stickig darunter, aber ausreichend warm, um die schlimmste Kälte abzuhalten.
    Sie schliefen unruhig in jener Nacht und wechselten sich gegenseitig ab, um Wache zu halten und auf die Hunde der Nomaden zu lauschen. Irgendwann in den frühen Morgenstunden weckte Arang seine Gefährten, und sie hörten wiederum Gebell in der Ferne. Sie sprangen auf die Füße und blickten sich gegenseitig verzweifelt an.
    »Schlafen sie denn niemals?« stöhnte Dalish, als sie hastig begann, ihre Decken in die Satteltaschen zu stopfen.
    »Still! « Stavan verharrte einen Moment und horchte aufmerksam, alle unterbrachen ihr Packen und spitzten die Ohren. Das Gebell ertönte erneut und erstarb dann wieder, und eine undurchdringliche Stille senkte sich über die Steppe.
    »Die Hunde bewegen sich nicht vorwärts«, erklärte er. Er drehte sich zu Marrah um, und sie erwartete, Hoffnung in seiner Miene wahrzunehmen, aber er sah grimmig drein. »Auch die Krieger müssen ihren Pferden ab und zu mal eine Ruhepause gönnen, weißt du. Sie müssen ungefähr zur gleichen Zeit Rast gemacht haben wie wir.«
    »Dann laß uns von hier verschwinden, solange wir es noch können.« Marrah riß Dalish eine der Satteltaschen aus der Hand und widmete sich dem Verstauen der Decken mit fliegender Hast. Plötzlich spürte sie das Gewicht von Stavans Hand auf ihrer Schulter und wandte sich zu ihm um, und der Blick, mit dem er sie ansah, ließ ihr Herz zu Eis erstarren.
    »Es hat keinen Sinn, Marrah«, sagte er. »Gib dir keine Mühe. – Wir haben keine Chance. Ihnen zu entwischen ist unmöglich, und wir können auch die Hunde nicht von unserer Spur ablenken. Ohne irgendwelchen Schnee, der unsere Witterung überdeckt, kann uns das verdammte Rudel aufspüren, als ob wir Kaninchen wären, und die Krieger wissen das; deshalb haben sie entschieden, sich Zeit zu lassen.«
    »Was sollen wir denn tun? Einfach hier sitzenbleiben und warten, bis sie uns eingeholt haben?«
    »Wir werden Widerstand leisten müssen.«
    Marrah betrachtete das kümmerliche Sammelsurium von Waffen, das sie hatten, und versuchte, sich ihre Chancen gegen erfahrene, ausgebildete Krieger auszurechnen. Sie hatte die Nomaden bisher nur einmal angreifen sehen, und das war ein Alptraum gewesen. Sie kamen aus dem Wald herausgestürzt, ihren furchtbaren Schlachtruf auf den Lippen, und hatten gnadenlos alles und jeden niedergemetzelt.
    Einen Moment sah sie wieder die Stadt Shambah vor sich, wie sie lichterloh in der Nachmittagssonne brannte, ihre Männer auf Pfähle aufgespießt, ihre Kinder abgeschlachtet, ihre Frauen geschändet und als Sklavinnen davongetrieben. Shambah war der Schmetterlingsgöttin geweiht gewesen, aber nach dem Überfall der Nomaden gab es von der einst so blühenden Stadt nichts weiter als Leichen und Asche.
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Dann werden wir kämpfen.« Ihre Stimme war ruhig, aber sie konnte fühlen, wie die Furcht in ihr hochkroch und ihr die Kehle zuschnürte. Sie hatte in ihrem

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