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Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde

Titel: Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Raspas auf dem öligen Wasser schaukeln sahen, wußte Luma, daß sie festsaßen.
    »Verdammte Ziegenscheiße!« schimpfte sie. »Dabei lag hier gestern noch ein Boot! Wir werden
Wochen
brauchen, um nach Hause zu kommen! «
    Kandar war etwas optimistischer. Er wanderte den Strand auf und ab. »Seid ihr sicher, daß hinter der Insel keine Raspas ankern?« fragte er immer wieder die Leute. »Wir müssen so schnell wie möglich nach Shara zurück. Seid ihr sicher, daß es auch in den umliegenden Dörfern keine gibt?«
    Luma wußte, daß die kleinen Dörfer so gut wie nie eigene Raspas besaßen, doch sie trottete hinter Kandar her und hoffte, er könne eines ausfindig machen. In einem Raspa würden sie für die Rückreise nach Shara nur ungefähr zwei Wochen brauchen – unter Umständen sogar noch weniger, wenn günstige Wind- und Strömungsverhältnisse herrschten. In einem Einbaum würden sie gezwungen sein, dicht an der Küste entlangzufahren, und die Reise würde eine halbe Ewigkeit dauern. Eine andere Möglichkeit wäre, Pferde zu kaufen und nach Süden zu reiten, aber die Gegend oberhalb des Rauchflusses war derart unsicher, daß selbst erfahrene Krieger wie sie und Kandar vielleicht nicht lebend durchkommen würden.
    Luma kam zu dem Schluß, daß sie nicht ungeduldig genug war, um das Risiko einzugehen, zu sterben, bevor sie Shara erreichte. Sie wollte den Freudenschrei ihrer Mutter hören, wenn sie ihr erzählte, daß sie endlich herausgefunden hatten, wo sie Keru finden konnten. Sie wollte Aita Stavans Gesicht sehen, wenn er hörte, daß Changar noch immer lebte. Sie wollte Keshna umarmen und ihr sagen, daß sie beide im Begriff waren, sich auf das größte Abenteuer ihres Lebens einzulassen. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte Luma, wie das unsichtbare Band, das sie immer mit Keru verbunden hatte, sich plötzlich spannte. Sie stellte sich vor, wie er am anderen Ende zog, von Zwilling zu Zwilling, und sie Stück für Stück zu sich heranzog. Sie mußte ihn vor Changar retten – nicht morgen, nicht nächste Woche, sondern jetzt.
Sofort.
Es machte sie halb wahnsinnig, am Strand entlangzutrotten und krampfhaft nach einem Segelboot Ausschau zu halten, denn ohne ein Raspa hatten sie und Kandar keine Möglichkeit, schnell nach Shara zu gelangen. Aber es waren nun einmal keine Raspas zu haben.
    »Wieso habt ihr es denn so eilig?« wollten die Leute wissen. »Es sind doch nur noch ein paar Wochen, bis euer eigenes Boot zurückkommt, oder? Was ist los? Gefällt es euch in Shamban nicht?«
    »Wir lieben Shamban«, erwiderte Kandar jedesmal höflich, während Luma an sich halten mußte, um nicht vor Ungeduld zu schreien. »Aber wir hatten eine Vision.«
    Es war zwar eine Lüge, aber sie wirkte Wunder. Bei der Erwähnung des Wortes »Vision« wurden die Shambaner sehr nachdenklich. Visionen wurden im Land der Göttin Chilana sehr ernst genommen; da aber niemand ein Raspa aus dem Nichts herbeizaubern konnte, nützte das alles nichts.
    Schließlich gaben sie auf und fanden sich damit ab, warten zu müssen. Weder Kandar noch Luma waren in bester Laune, aber sie schafften es zumindest, sich nicht gegenseitig anzufauchen. Shamban war ein recht angenehmer Ort, und wie die Shambaner betont hatten, würde ja in weniger als drei Wochen ihr eigenes Boot zurückkehren. Außerdem konnte es sein, daß in der Zwischenzeit ein anderes Raspa in den Hafen einlief, da zu dieser Jahreszeit häufig Händler aus dem Süden heraufkamen.
    Getreu der Regel, daß ein Krieger, der gerade nicht kämpfte, ausruhen sollte, verlegte Kandar sich darauf, im Schatten zu sitzen, Fruchtsaft zu trinken und ein Nickerchen zu halten. Sich mitten am Tag aufs Ohr zu legen, kam für Luma nicht in Frage, dazu war sie viel zu ruhelos. Deshalb kletterte sie, wenn Kandar sich zurückzog, die Leiter zum Dach des Gästehauses hoch, und saß den Rest des Nachmittags dort, um den Horizont nach Segeln abzusuchen.
    In der glühenden Hitze nach einem Raspa Ausschau zu halten, war eine schweißtreibende und langweilige Arbeit, und wahrscheinlich reine Zeitverschwendung, aber so hatte sie wenigstens etwas zu tun. Wenn sie den halben Nachmittag lang auf eine weite, leere Fläche von Himmel und Wasser gestarrt hatte, ließ sie ihre Gedanken treiben. Dann stellte sie sich sehnsüchtig vor, daß die Besatzung ihres eigenen Bootes entschieden hatte, schon vor dem vereinbarten Zeitpunkt in Shamban einzulaufen. Oder daß Marrah, die irgendwie ahnte, daß sie Keru gefunden hatten, ein

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