Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
Sharanerin, um das zu verstehen. Du denkst, daß du etwas Heiliges tust, wenn du mit einem Mann liegst. Sex ist für dich Batals Segen, zärtliches Geflüster und junge Männer, die den Tanz der Rollenden Wogen tanzen. Für mich ist es etwas völlig anderes.« Sie nahm eine Prise Salz und hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger. »Für mich ist Sex wie eine Mahlzeit, und Gefahr ist das Salz, das ihr Würze verleiht. Ich weiß, daß es mein Tod sein kann, mit Keru zu liegen. Wenn ich ihn küsse, spüre ich förmlich die Klinge von Changars Dolch an meiner Kehle. Ich bin wie eine Spielerin, die die Würfel rollen läßt, ohne zu wissen, ob sie gewinnen oder mit einem einzigen Wurf alles verlieren wird. Du hast recht, mich davor zu warnen, daß Sex mit Keru ein gefährliches Spiel ist. Aber, ehrlich gesagt, genau das ist es, was mir am besten daran gefällt.«
Wenn Keshna sich dazu entschloß, etwas zu tun, dann zögerte sie nicht lange. Nur wenige Tage nach dieser Unterhaltung rief Keru alle seine Krieger zusammen und verkündete ihnen, daß er sich entschlossen hatte, Keshna Tochter von Arang aus Shara, zur Frau zu nehmen.
Zu Lumas großem Erstaunen billigten die Krieger seine Entscheidung nicht nur, sie jubelten Keru derart begeistert zu, daß sämtliche Hunde im Lager anfingen zu bellen. Die Krieger mochten Keshna nicht besonders, doch bis zu diesem Augenblick hatten sie keine Ahnung gehabt, daß sie Arangs Tochter war. Arang war einst von Zuhan adoptiert worden, dem größten Häuptling, der jemals über die Zwanzig Stämme geherrscht hatte. Das war natürlich in den alten Zeiten gewesen, als die Hansi noch der Schrecken der Steppe waren; doch selbst jetzt, wo die Zwanzig Stämme in alle Winde zerstreut waren und es eine Generation lang keinen Großen Häuptling mehr gegeben hatte, waren Kerus Krieger beeindruckt von seiner Schläue. Durch seine Heirat mit Keshna würde er seinen Anspruch auf den Titel verdoppeln. Eines Tages – wenn es denn je wieder einen Großen Häuptling geben sollte – würde Keru dieser mächtige Mann sein, und alle Männer, die mit ihm ritten, würden Beutel voller Gold haben, Dutzende von hübschen Konkubinen und ganze Herden edler Pferde.
Aber nicht alle waren erfreut über Kerus Entscheidung. Als Rimnak hörte, daß nicht sie, sondern Keshna Kerus Braut sein würde, schrie sie auf, als sei sie von einem Speer durchbohrt worden. Sie warf sich laut schluchzend zu Boden, zerkratzte sich das Gesicht und riß sich ganze Büschel von Haaren aus. Rimnak hatte schon immer zu heftigen Wutausbrüchen geneigt; selbst als Keru nur in den Wald geritten war, um mit Keshna zu jagen, war sie mörderisch eifersüchtig gewesen. Aber angesichts dieser Hochzeit, die ihre eigene hätte sein sollen, waren ihr Zorn und ihre Enttäuschung über den Verrat so groß, daß ihre drei Schwägerinnen sich auf sie setzen und ihr den Mund mit Wolle ausstopfen mußten, um zu verhindern, daß sie Schande über sie alle brachte.
Als Rimnak es schließlich leid wurde, sich gegen sie zu wehren, und sich allmählich beruhigte, zogen sie ihr den Knebel aus dem Mund und ließen sie aufstehen – was sich als ein Fehler erwies.
»Ich reiße ihnen die Lungen heraus!« tobte sie. Rimnaks Bruder, Tlanhan, marschierte energisch auf sie zu, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie, bis ihre Zähne klappernd aufeinanderschlugen.
»Sei still! « zischte er. Seit Keru mehr Wert auf Keshnas Freundschaft legte als auf seine, Tlanhans, war er wütend und verbittert, aber er hatte nicht die Absicht zuzulassen, daß seine Närrin von einer Schwester Unglück über die ganze Familie brachte, indem sie lauthals verkündete, sie würde den Häuptling und seine Braut umbringen.
Rimnak schloß den Mund und funkelte ihn mit einem irren Ausdruck in den Augen an. Sie erwartete, daß Tlanhan sie schlagen würde, und war fest entschlossen, ihm die Augen auszukratzen, wenn er die Hand gegen sie erhob. Doch statt dessen legte Tlanhan ihr nur eine Hand unters Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich herum. Als sie in seine Augen blickte, sah sie kalte Wut darin funkeln.
»Du bist nicht die einzige, die durch diese Eheschließung verraten wurde. Keru war mein Blutsbruder.« Hinter sich hörte Rimnak, wie ihre Schwägerinnen keuchend nach Luft schnappten. Tlanhan hätte eigentlich sagen müssen, »Keru
ist
mein Blutsbruder.« Es war unmißverständlich, was er meinte: von diesem Augenblick an waren alle Bande zwischen ihm und Keru
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