Alteuropa-Trilogie 3 - Das Lied der Erde
umzubringen. Weißt du noch, wie erfreut er aussah, als er Keru beschrieb, wie Keru uns die Zungen herausschneiden und sie ihm bringen soll, um zu beweisen, daß wir tot sind?«Sie legte das Entenei beiseite, zog ihren Dolch aus der Scheide und stocherte mit der Spitze in ihren Zähnen herum, um Fleischreste zu entfernen. »Ich habe keine Angst vor Changar. Changar hat seine magischen Zauberformeln, und ich habe meine; und ich glaube, meine sind stärker.«
»Was für Zauberformeln? Wovon redest du eigentlich? Du bist keine Priesterin. Du hast nie in deinem Leben eine Initiation mitgemacht.« Luma holte tief Luft und versuchte ruhiger zu sprechen. »Keshna, die Sache ist wirklich ernst. Wir befinden uns hier in einer sehr gefährlichen Lage. Changar ist ein mächtiger Zauberpriester, und du hast den Fehler gemacht, den Kampf mit ihm aufzunehmen, und zwar so, daß er es keinesfalls ignorieren kann. Er wird dich bis zum äußersten bekämpfen, um weiterhin Gewalt über Keru zu haben.«
»Du meinst, indem er von seinem schwarzen Gifttrank Gebrauch macht?«
»Natürlich wird er davon Gebrauch machen. Und von allen anderen Mitteln, die er in die Finger kriegen kann.«
Keshna hörte auf, in ihren Zähnen herumzupulen und schob ihren Dolch wieder in seine Scheide zurück. »Ich haben eine Neuigkeit für dich: Keru wird das schwarze Zeug nicht mehr trinken. Er wird auch nie wieder einen Fuß in Changars Zelt setzen. Ich habe ihn gezwungen, mir das zu versprechen.«
»Was bringt dich auf den Gedanken, daß Keru so ein Versprechen halten wird? Changar hat ihm dieses Gebräu Nacht für Nacht eingeflößt, seit Keru ein kleiner Junge war. Hast du denn nicht zugehört, als Rimnak uns erzählte, wie süchtig er nach dem Zeug ist? Hast du nicht gehört, wie sie sagte, daß er ohne den Trank nicht einschlafen kann?
»In meinen Armen«, erwiderte Keshna, »schläft Keru wie ein Baby.« Sie kicherte. »Er ist danach immer völlig erschöpft.«
Luma sah ein, daß es sinnlos war, ihr mit Vernunft beizukommen. Sie lehnte sich zurück und starrte düster in die glühenden Kohlen, aber Keshna war noch nicht fertig.
»Ich werde Keru dazu bringen, mich zu heiraten«, verkündete sie. »Sieh mich nicht so verdattert an. Du hast mich auf die Idee gebracht. Erinnerst du dich, wie du mir erzählt hast, wie sehr Rimnak sich wünschte, von Keru schwanger zu werden, damit sie seine Ehefrau werden könnte? Also, heute nachmittag habe ich Keru erklärt, wenn er aufhören würde, jede Nacht in Changars Zelt zu gehen, würde ich ihm erlauben, ein Kind mit mir zu zeugen. Es wird natürlich noch nicht diesen Monat passieren, weil Changar ihm diesen Trank eingeflößt hat, aber im nächsten Monat könnte es durchaus soweit sein. Wenn ich Kerus Kind zur Welt bringe – einen Sohn, wenn ich Glück habe –, werde ich den Jungen mit nach Shara nehmen und Keru sagen, daß er mir wohl oder übel folgen muß, wenn er seinen Sohn sehen will. Und das«, fügte sie voller Stolz hinzu, »ist mein Plan, um Keru dazu zu bringen, nach Hause zurückzukehren!«
Luma war entsetzt. Diesmal hatte Keshna sich wirklich selbst übertroffen. »Willst du mir allen Ernstes sagen, daß du vorhast, Kerus Ehefrau zu werden? Glaubst du wirklich, Changar wird dich lange genug leben lassen, um das Baby in deinen Armen zu halten? Nur eine Idiotin würde glauben, sie hätte eine Chance, länger als ein paar Tage zu überleben. Wir müssen von hier verschwinden, sobald wir können; am besten noch heute nacht.«
»Ich werde nicht eher von hier weggehen, bis ich Kerus Sohn mitnehmen kann. Es ist völlig unnötig, daß du dir so große Sorgen machst. Das Problem ist, daß du einfach nicht begreifst, wieviel Macht ich über Keru habe.«
»Nein, Keshna. Das Problem ist, daß du einfach nicht begreifst, wie Nomadenmänner sind. Hiknak hat dir vielleicht beigebracht, daß du sie mit Sex beherrschen kannst, aber sie hat es nie geschafft, Vlahan zu beherrschen, bis sie ihm einen Dolch in den Rücken stieß. Sieh dich doch nur um, hör dir die Gedenklieder an, die sie singen, hör dir ihr Geprahle an, wenn sie sich betrinken, und die Dinge, die ihre eigenen Frauen über sie sagen. Erinnerst du dich an die Geschichte, die Urmnak uns erzählt hat? Die Geschichte von dem Häuptling, der beinahe mit seinem Leben bezahlt hätte, als er versuchte, die Ehefrau seines Bruders dazu zu überreden, Sex mit ihm zu haben? Als sie dann endlich ja sagte, wollte der Häuptling sie nicht mehr, und er
Weitere Kostenlose Bücher