Althalus
werden zwischen den Sternen wandeln, und deine Glücksfee wird dich nie wieder verraten. Deine Tage werden voller Sonne sein und deine Nächte voller Liebe. Komm, komm mit mir, Geliebter. Ich werde für dich sorgen.« Sie winkte ihm, drehte sich um und ging voraus.
Benommen folgte er ihr. Sie schritten zwischen Wolken und Mond dahin, und das Gottesfeuer hieß sie willkommen und segnete ihre Liebe.
Als er erwachte, empfand er eine tiefe, traurige Leere in seinem Innern, und die ganze Welt erschien ihm bitter, so bitter.
Während der nächsten Tage setzte er seinen Weg nordostwärts fort, wobei er ein wenig darauf hoffte, einen Gipfel aus den ewigen Wolken jenseits des Randes der Welt ragen zu sehen oder irgend sonst etwas darunter -einen Beweis, dass hier nicht alles endete. Schließlich aber musste er sich ungern und widerwillig eingestehen, dass die scharfe Kante, an der er entlangwanderte, wahrhaftig der Rand der Welt war und dass es jenseits davon nur wolkige Leere gab.
Die Tage wurden kürzer und die Nächte kälter. Ein sehr harter Winter drohte. Wenn Althalus nicht bald zu dem Haus gelangte, das Ghend beschrieben hatte, würde er sich irgendeinen Unterschlupf suchen und einen Vorrat anlegen müssen. Er beschloss südwärts zu eilen, sobald die ersten Schneeflocken sein Gesicht berührten, und ein Plätzchen zu suchen, wo er sich bis zum Frühjahr einigeln konnte. Von nun an wandte er den Blick auch immer öfter in den Süden in der Hoffnung, einen Pass zu erspähen.
Vielleicht lag es an seiner geteilten Aufmerksamkeit, dass er das Haus erst erblickte, als er ihm ziemlich nahe war. Es war aus Stein erbaut -sehr ungewöhnlich für das Land hier an der Grenze, wo die Häuser hauptsächlich aus Baumstämmen oder geflochtenen Weidenruten errichtet waren. Zwar hatte Althalus in den ziv ilisier ten Ländern Häuser aus Stein gesehen, doch es war Kalkstein gewesen, der sich mit Bronzesägen bearbeiten ließ. Dieses Haus dagegen war aus Granitblöcken errichtet!
Ein solches Bauwerk hatte Althalus in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Es war riesig, größer sogar als Gosti Fettwansts Fort in Arum oder der Tempel von Apwos in Deika. Es war so groß und so hoch, dass es mehrere Felsgipfel in der Nähe überragte. Erst als Althalus die Fenster sah, schwanden seine Zweifel, ob es tatsächlich ein Haus war, das hier in den Himmel ragte. Natürliche Fels gebilde haben mitunter eckige Form, aber auch Fenster? Sehr unwahrscheinlich.
Es war um die Mittagsstunde an einem kurzen bedeckten Spätherbsttag, als Althalus das Haus entdeckte. Er näherte sich ihm vorsichtig. Ghend hatte zwar behauptet, dass es unbewohnt sei, aber vermutlich war er nie selbst hier gewesen, da er sich vor dem Bauwerk fürchtete - davon war Althalus immer noch überzeugt.
Das stille Haus stand auf einem Felsvorsprung, der über den Rand der Welt reichte. Der einzige Weg hinein führte über eine Zugbrücke, die den gähnenden Abgrund vor dem schmalen Plateau am Ende der Welt überspannte. War das Haus wirklich leer, musste sein Besitzer sich gewiss eine Möglichkeit ausgedacht haben, die Zugbrücke beim Verlassen zur Sicherheit hochzuziehen. Doch sie war heruntergelassen und lud regelrecht zum Besuch des Hauses ein. Das konnte nur eine Falle sein. Althalus duckte sich hinter einen moosbewachsenen Felsblock, um fingernagelkauend seine Möglichkeiten zu überdenken.
Der Tag schritt voran. Althalus musste sich bald entscheiden, ob er schon jetzt über die Brücke und in das Haus ging oder wartete, bis es
dunkel war. Zwar war die Dunkelheit der natürliche Freund aller Diebe, doch war es unter den gegebenen Umständen nicht sicherer, die Zugbrücke bei Tageslicht zu überqueren? Über dies kannte er sich in dem Haus nicht aus; falls es doch bewohnt war, würden die Leute des Nachts wachsam sein und sich auf ihn stürzen, sobald er versuchte, sich hineinzuschleichen. War es da nicht ratsamer, die Brücke bei Tageslicht zu überqueren und den möglichen Bewohnern einen Gruß zuzurufen? Das könnte sie glauben machen, dass er keine schlimmen Absichten hegte. Und Althalus war ziemlich sicher, schnell und überzeugend genug reden zu können, dass die Leute ihn nicht kurzerhand in den Abgrund warfen.
»Nun ja«, murmelte er, »einen Versuch ist es wert.« War das Haus tatsächlich verlassen, würde er lediglich ein wenig Atem ver geuden, und davon hatte er noch genug. Stahl er sich aber Nachts hinein, konnte sich das sehr schnell ändern. Scheinbar
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