Althalus
nicht mein, sondern die Grausamkeit des unabänderlichen Schicksals.«
Und Althalus verhärtete sein Herz gegenüber dem vom Glück verlassenen Koman und beobachtete finster, wie die bleiche Leitha den letzten Auftrag erfüllte, den das unabänderliche Schicksal ihr auferlegt hatte.
»Lebwohl, mein unglücklicher Bruder«, flüsterte Leitha unter Tränen, als sie mit behutsamer Endgültigkeit ihren Gedanken von Ghends Diener zurückzog.
Und wisset, unendliche Leere und ewige Stille senkten sich auf den von der Güte des Geschicks verlassenen Koman herab, der reglos auf dem glänzenden Tempelboden lag. Und sein Schrei war ein Schrei der tiefsten Verzweiflung, denn er war so einsam wie nie zuvor. Dann kauerte er sich zusammen wie ein ungeborenes Kind im Mutterleib, und seine Stimme erlosch und fürder sein Geist.
Und Leitha schrie wimmernd ihr Entsetzen hinaus, und Althalus hüllte sie in seinen tröstenden Gedanken, um die schreckliche Unumstößlichkeit dessen, was sie getan hatte, von ihren Gedanken fern zu halten.
Und während der Geist seines Begleiters für immer und ewig schwand, war Argans Gesicht von Entsetzen gezeichnet.
Doch vom Altar erschallte die Stimme der Göttin Dweia. Streng sprach sie: »Allein deine Gegenwart besudelt meinen heiligen Tempel, Argan, Diener des Ghend.«
Und wisset, was kalter Marmor gewesen war, war nunmehr warmes Fleisch, und in all ihrer gigantischen Größe drückte Dweia auf ihn, der kein Priester mehr war.
Und wahrhaftig war Argan verdammt und unfähig, auch nur einen Finger zu rühren.
Fürder sprach die Göttin: »Du wurdest aus der Priesterschaft ausgestoßen, Argan, und seither waren dir alle Tempel verschlossen, denn du bist unrein. Nun muss ich dieses heilige und der An dacht geweihte Haus von der Besudelung reinigen.«
Und die Göttin Dweia betrachtete geringschätzig den Armseligen, der zitternd vor ihr stand. »Mir deucht, das wird sich als keine schwere Arbeit erweisen.« Sie schürzte die Lippen. »Du bist nur Staub, verstoßener Priester, und Staub lässt sich rasch entfernen.« Sie streckte den wohlgerundeten Arm aus, hielt die Hand nach oben, als würde sie etwas Unbedeutendes heben.
Und wisset, der flachshaarige und von der Kirche ausgestoßene Argan wurde hochgehoben und stand allein in der Luft vor der Göttin, die ihn als zu leicht befunden hatte. Und Ghends Diener wurde körperlos wie schimmernde Staubkörnchen, die hoch die Form dessen beibehielten, der einst die Wirklichkeit namens Argan gewesen war.
»Komm zum Fenster, Bheid«, rief ihn Althalus. »Es ist ganz dein -oder vielleicht bist du es. Emmys Traum war ein bisschen kompliziert.«
Bleich und zitternd gesellte Bheid sich zu Althalus ans Fenster. »Was soll ich tun, hochverehrte Göttin?«, fragte er demütig. »Du brauchst nur das Fenster zu öffnen«, wies sie ihn an. »Der Tempel muss gelüftet werden.«
Gehorsam öffnete Bheid das Fenster. Da erhob sich davor ein gewaltiger Wind, der um seine Schultern heulte und durch das Fens ter in den Tempel Dweias fuhr.
Und die schimmernden Staubkörnchen, die Argan gewesen waren, wurden von dem gewaltigen Sog mitgerissen. Zurück blieb nur der Widerhall seiner Verzweiflungsschreie, der sich mit dem Gesang des Dolches vermischte.
Und Befriedigung lag auf dem Antlitz der Göttin Dweia, die da sprach: »Nunmehr ist mein Tempel wieder makellos rein.« Und der Gesang des Dolches hob sich in unbeschreiblicher Schönheit, als er dem heiligen Ort seinen Segen gab.
41
Althalus saß allein in Dweias Turmgemach und blickte nachdenklich auf das schimmernde Flackern von Gottes Feuer jenseits des Randes der Welt. So viel er wusste, erfüllte es keinen nützlichen Zweck, es war ein grandioses Naturschauspiel. Diese Lichterscheinungen am Nordhimmel zu betrachten, war auf eigenartige Weise entspannend, und Althalus brauchte jetzt Entspannung.
Ohne Argan und seine Rotkutten war der Bauernaufstand ins Stocken geraten, Bheid dagegen hatte mit überraschender und untypischer Schnelligkeit mit seinen Graukutten die höchsten kirchlichen Ränge besetzt. Seine Neigung, über jede Entscheidung endlos zu grübeln, schien der Vergangenheit anzugehören. Jedem Wider stand trotzend ging er unbeirrbar seinen Weg, fast wie eine jüngere Ausgabe von Exarch Emdahl. Anfangs hatte die Aristokratie von Perquaine ihn als einen der ihren betrachtet, doch er hatte dafür gesorgt, dass sie die Wahrheit erkannten -spätestens als sie bestürzt einsehen mussten, dass die
Weitere Kostenlose Bücher