Althalus
Familie war etwas altmodisch.«
»Wie war's, wenn wir uns zum Palast begeben, Meister Althalus?«,
schlug der Höfling vor. »Ich stelle Euch unserer unmöglichen Arya vor.«
Der alte Herr ging mit dem Besucher zum Palasttor, wo er und Althalus, der sein Pferd führte, sofort eingelassen wurden. »Die Soldaten werden sich Eures Pferdes annehmen, Meister Althalus«, versicherte ihm der Silberhaarige. »Ach, übrigens, mein Name ist Dhakan. Ich bin der Schatzmeister von Osthos. Verzeiht, ich ver gesse schon mal, dass Fremde mich nicht kennen.«
»Es ist mir eine Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen, Schatzmeister Dhakan.« Althalus verbeugte sich höflich. Emmy, die ein wenig geziert auf dem Sattel des Pferdes gesessen hatte, sprang geschmeidig auf die Steine des Innenhofs.
»Euer Schoßtier, Meister Althalus?«, fragte Dhakan erstaunt.
»Ich glaube, sie sieht es eher anders herum, Euer Liebden. Katzen sind so.« »Ich habe eine Schildkröte«, erklärte Dhakan. »Sie ist nicht sehr schnell, aber das bin ich auch nicht mehr.«
Osthos war eine uralte Stadt mit einem gewaltigen Palast und prächtigem, säulenumrahmtem Thronsaal. An der Seite gegenüber vom Eingang befand sich ein mit roten Behängen eingefasstes Podium, auf dem ein prunkvoller Thron stand. Die Herrscherin Andine, die Arya von Osthos, saß auf diesem Thron. Sie achtete offensichtlich nicht im Geringsten auf die einschläfernde Rede, die ein dicker Mann in weißem Umhang hielt. Bei dieser Rede ging es darum, die junge Arya auf diplomatische, behutsame Weise darauf aufmerksam zu machen, dass sie nicht genug auf die Staatsgeschäfte achtete.
Andine war jung - sehr jung sogar. Althalus schätzte sie auf nicht mehr als fünfzehn. Alle anderen im Thronsaal schienen bereits das Greisenalter erreicht zu haben. Nur der Arumer, den man an eine Marmorsäule neben dem Thronpodest gekettet hatte, war ebenso jung wie die Herrscherin. Andine blickte den Gefangenen mit ihren großen, fast schwarzen Augen durchdringend an und spielte scheinbar abwesend mit einem langen Dolch von der Form eines Lorbeerblattes.
»Das ist der Dolch, Schatz!«, erklang Emmys aufgeregte Stimme in Althalus' Kopf. »Ist der Junge, der da an die Säule gekettet ist, der Mörder?«,
flüsterte Althalus Dhakan ein wenig ungläubig zu.
»Schrecklich, nicht wahr?«, wisperte Dhakan zurück. »Unsere schöne, aber verzogene Herrscherin ließ ihn seit seiner Gefangennahme nicht aus den Augen.«
»Hat sie denn kein Verlies?«
»Aber gewiss. Die anderen Gefangenen befinden sich alle dort. Doch aus irgendeinem seltsamen Grund sehnt unser kleines Mädchen sich nach dem Anblick dieses jungen Raufbolds. Sie hat noch kein Wort zu ihm gesagt, hat jedoch kaum die Augen von ihm gelassen. Sie sitzt auf dem Thron, spielt mit diesem Dolch und beobachtet ihn.«
»Er scheint mir ein bisschen unruhig zu sein.«
»Wärt Ihr das an seiner Stelle nicht auch? «
Da überquerte Emmy mit elegant geschwungenem Schwanz anmutig den Marmorboden und sprang mühelos auf das Podium.
»Was tust du?«, sandte Althalus ihr einen erschrockenen Gedanken nach.
»Halt dich da heraus, Schatz!«, ermahnte sie ihn. Dann stellte sie sich auf die Hinterbeine und stützte die Vorderpfoten auf den Marmorthron. Mit einem fragenden Miau blickte sie die junge Arya an.
Andine riss den Blick von ihrem Gefangenen und schaute auf die grünäugige Katze neben ihrem Knie. »Was bist du für ein niedliches Kätzchen!«, rief sie. »Wo kommst du her, Mieze?«
»Verzeiht, Hoheit«, entschuldigte Althalus sich und trat näher. »Emmy, komm sofort zu mir!«
Arya Andine bedachte ihn mit einem verwunderten Blick. »Ich glaube nicht, dass ich Euch kenne«, sagte sie. Ihre Stimme war voll und wohlklingend, und von der Art, die einen Mann erregt.
»Gestattet, Hoheit.« Dhakan trat vor und verbeugte sich leicht. »Das ist Meister Althalus. Er ist gekommen, um Euch einen geschäftlichen Vorschlag zu unterbreiten.«
Wieder miaute Emmy fragend.
»Möchtest du dich auf meinen Schoss setzen, Mieze? « Andine beugte sich vor und hob Emmy auf. Sie hielt die Katze vor sich und blickte ihr ins Gesicht. »Oh«, sagte sie mit ihrer vollen Stimme, »bist du süß!« Dann setzte sie die Katze auf ihren Schoß. »Nun? Das wolltest du doch, nicht wahr?«
Emmy fing zu schnurren an.
»Meister Althalus ist Geschäftsmann, Arya Andine, und handelt mit Gefangenen«, erklärte Dhakan. »Er hat von dem kürzlich erfolgten Angriff auf die Stadt gehört und kam
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