Althalus
erklärte Althalus. »In einer solchen Lage sind Gerüchte ungemein nützlich.«
Der örtliche Priester war ein hoch gewachsener unordentlicher Mann mit schwermütigen Augen. Er hieß Terkor. »Ich habe Astrologie wahrscheinlich nicht so gründlich studiert, wie ich es hätte sollen«, gestand er Bheid. »Wir befinden uns hier sehr abgelegen, sozusagen am äußersten Rand der Zivilisation. Ich sorge mich um die Kranken, tröste die Trauer nden und schlichte Streitereien. Da bleibt nicht viel Zeit für die Sterndeuterei. Was habt Ihr in den Ster nen gelesen?«
»Der Drache ist ins siebente Haus gezogen«, antwortete Bheid, »und mit dem zunehmenden Mond gehen häufig Naturkatstrophen einher. Ich bin sicher, Ihr erkennt die Zeichen.«
»In dieser Beziehung muss ich mich auf Euch verlassen, Bruder. Das Wesen und Wirken der Sterne übersteigt mein Vorstellungsvermögen.«
»Der Drache ist eines der drei Erdzeichen«, erklärte Bheid, »und der Mond lässt auf Untergang und Vernichtung schließen -Erdbeben, Lawinen und dergleichen. Wie auch immer, als ich den Kurs des Bären berechnet hatte, erkannte ich, dass die Katastrophe sich hier in Kweron ereignen wird. Ich sah mich verpflichtet herzukommen, um euch zu warnen, und so brachen mein Diener und ich sofort auf. Den Göttern sei Dank, dass wir es noch rechtzeitig geschafft haben.«
»Ihr seid ein edelmütiger Mann, Bruder. Wenige hätten sich die Mühe gemacht.«
»Es ist meine Pflicht, Bruder. Ich lese die Sterne, um meine Mitmenschen vor schicksalhaften Gefahren warnen zu können. Die meisten meiner Priesterbrüder in Awes beschäftigen sich damit, Horoskope gegen Bezahlung zu erstellen. Ich dagegen suche Hinweise auf Naturkatastrophen.«
»Konntet Ihr ergründen, welcher Art dieses Unglück sein wird? « »Die Stellung des Mondes lässt darauf schließen, dass ein Berghang nachgeben wird.«
»Eine Lawine? Oh, ihr Götter!«
»So habe zumindest ich es gedeutet. Einige meiner Brüder in Awes sind allerdings der Meinung, ein Komet würde auf die Erde fallen, aber dem kann ich nicht beipflichten. Für einen Kometen befindet sich der Hahn im falschen Haus.«
»Für uns spielt es keine große Rolle, Bruder, ob ein Komet oder eine Lawine auf uns fallen wird«, meinte Terkor. »Das eine wie das andere würde vielen das Leben kosten.«
Bheid schaute sich um, als wollte er sich vergewissern, dass sie allein waren. »Ist hier in letzter Zeit irgendetwas Ungewöhnliches geschehen, Bruder Terkor? Ich las davon, dass in dieser Gegend etwas sehr Böses sein Unwesen treibt. Die Sterne scheinen sich gegen dieses Übel zusammenzutun.«
»Nekweros befindet sich auf der anderen Seite des Fjordes, Bruder Bheid«, erwiderte Terkor. »Etwas Böseres ist kaum vorstellbar. « »Nein, Bruder Terkor. Es befindet sich auf der Kweronseite. Es ftiag jedoch verborgen sein.« »Vielleicht ist es das, was Bruder Ambho vor kurzem eine Meile
südlich an der Küste in Peteleya aufgedeckt hat. Bruder Ambho ist
ein sehr eifriger Hexenjäger.«
»Eine Hexe?«, rief Bheid scheinbar entsetzt.
»Bruder Ambho hält die Frau jedenfalls dafür. Ganz unter uns ich finde Ambhos Beweise nicht sehr überzeugend. Die Frau heißt Leitha, und Ambho will sie morgen bei Sonnenaufgang auf dem Scheiterhaufen verbrennen.«
»Deiwos sei Dank!«, rief Bheid. »Dann bin ich noch rechtzeitig gekommen, ihm das auszureden.« »Das bezweifle ich, Bruder Bheid. Ambho ist darauf versessen, sie zu verbrennen. Wie alle, die er für Hexen hält.«
»Ich werde ihn zur Vernunft bringen«, sagte Bheid düster.
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn es um Hexen geht, ist Ambho fanatisch.«
»Soll das heißen, dass das Edikt des vergangenen Jahres hier nicht bekannt ist?«, rief Bheid heftig. »Es gab ein Konzil der obersten Geistlichen aller Religionen, und das Edikt fiel einstimmig aus. Alle Hexen müssen zur Befragung nach Awes gebracht werden! Was bildet dieser Bruder sich eigentlich ein? Der Erlass sollte sofort ver breitet werden!«
»Kweron ist weit von Awes entfernt, Bruder Bheid. Wahrschein lich weiß Ambho überhaupt nicht, wo es liegt. Warum sollen wir unsere Hexen nach Awes senden, statt sie zu verbrennen?«
»Wir müssen die Gelegenheit erhalten, sie zu befragen, Bruder Terkor. Hexen haben einen Pakt mit Daeva. Wenn wir sie zum Reden bringen, können wir uns vielleicht ein Bild von den dunklen Absichten dieses Oberteufels machen. Vielleicht hängt das Schicksal der Menschheit davon ab.«
»Ich habe
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