Althalus
den Sternen gelesen hast.«
»Ich werde möglicherweise genauere Auskünfte brauchen, Emmy.« »Sag ihnen, wenn du die Sterne richtig gedeutet hast, wird sich hier in Kürze eine gewaltige Lawine lösen.« »Ist das wirklich der Fall?«
»Ich kann es so gut wie versprechen. Ich werde Althalus einen ganzen Berg einstürzen lassen, falls wir tatsächlich eine so gewaltige Katastrophe brauchen. Ich möchte, dass du sehr besorgt tust. Du bist um die halbe Welt gereist, um die Leute hier zu warnen. Mach ein großes Getue. Erreg dich. Wirf das Wort ›Unglück‹ um dich, so oft du die Gelegenheit hast. Dann, nachdem Althalus einen Teil irgendeines Berges einstürzen ließ, wird jeder hier glauben, dass du ein heiliger Mann bist, und alle werden dir trauen.«
Bheid machte ein etwas verwirrtes Gesicht. »Wozu dient diese Veranstaltung, Emmy?«
»In einem der Dörfer hat man eine Frau, die der Hexerei bezichtigt wird, in Ketten gelegt, um sie als Höhepunkt eines großen Volksfests auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Du wirst den verantwortlichen Priester überreden, sie stattdessen an dich auszuliefern. Behaupte, dass du sie zur Befragung nach Awes schaffen wirst.«
»Das könnte sich als ein wenig schwier ig erweisen, Emmy«, gab er zu bedenken. »Nicht unbedingt. Du brauchst ihnen bloß zu sagen, dass die
Priesterschaft in Awes sich ein Bild von Daevas Plänen machen muss, um Schritte dagegen unternehmen zu können. Erzähle mit beängstigender Ergriffenheit vom Schicksal der Welt, von ewiger Finsternis, von Teufels-und Dämonenhorden, die aus der Hölle heraufstürmen, und von ähnlichem Unsinn. Ich werde dafür sorgen, dass Althalus deine Worte mit Donnerkrachen und Erdbeben und vielleicht ein paar himmlischen Trompeten begleitet.«
»Emmy!«, entsetzte sich Bheid.
»Ja? Hast du irgendwelche Probleme damit?«
»Aber das ist doch alles Schwindelei!«
»Na und?«
»Ich bin Priester, Emmy, kein Scharlatan! So geht das nicht!«
»Warum nicht? «
»Ich bin zur Wahrheit verpflichtet.«
»Es ist die Wahrheit, Bheid. Du musst die Dinge nur vereinfachen, damit einfache Leute sie verstehen können.«
»Ist diese Frau, die wir retten werden, wirklich eine Hexe?«
»Natürlich nicht. Sie ist eine von uns - das heißt, sie wird es sein, sobald sie den Dolch liest. Wir brauchen sie, Bheid! Ohne sie werden wir versagen!«
»Ihr zwingt mich, einen meiner heiligsten Eide zu verletzen!«
»Oh, das tut mir leid. Dann werden wir es anders machen und stattdessen jeden in diesem Teil von Kweron töten. Du wirst kniehoch in Blut waten, aber deine Seele wird rein bleiben. Wirst du darauf nicht stolz sein? «
»Das ist ungeheuerlich!«
»Es liegt ganz bei dir, Bheid. Du kannst entweder ein Schwindler oder ein Schlächter sein.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Rasch, Bheid, beeil dich! Wenn wir alle diese Leute töten müssen, sollten wir es rasch angehen.«
»Nimmst du ihn nicht sehr hart ran, Em?«, murmelte Althalus stumm.
»Er wird lernen müssen zu tun, was man ihm anschafft, Schatz. Die Worte, die jeder von euch von der Klinge liest, betreffen uns alle. Du bist nicht der einzige, der sucht, und Andine nicht die einige, die gehorchen muss. Wir alle suchen und wir alle gehorchen.« Dann wandte sie sich wieder dem sehr beunruhigten jungen Priester zu. »Nun, Bheid, was soll's sein? Lügen oder Blut?«
»Welche Wahl habe ich?«, entgegnete er hilflos. »Ich werde die Leute belügen.»
»Sehr vernünftig«, lobte sie.
Sie ritten hinunter in eine schlichte Ansiedlung, in der vor der Eiszeit vermutlich Fischer gehaust hatten. Althalus saß von seinem Pferd ab und näherte sich einem bärtigen Bürger, der einen stumpfsinnig blickenden Ochsen führte. »Verzeih«, wandte Althalus sich an den Mann, »wo kann ich euren Priester finden?«
»Gleich da drüben in der Kirche. Aber er ist vielleicht noch nicht wach.«
»Dann wecke ich ihn. Mein verehrungswürdiger Gebieter muss mit ihm reden.«
»Er mag es nicht, wenn er aus dem Bett geholt wird.«
»Lebendig begraben zu werden wird ihm bestimmt noch weniger gefallen.«
»Lebendig begraben?«, rief der Bärtige entsetzt.
»In einer Lawine.«
»Was für eine Lawine?«
»Eine, die alsbald von einem Berg herunterrollen wird. Danke für
die Auskunft, Freund. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag.« »Das hättet Ihr nicht sagen sollen, Althalus«, zischte Bheid, nachdem der besorgte Mann mit dem Ochsen außer Hörweite war. »Das gehört zur Vorbereitung, Bheid«,
Weitere Kostenlose Bücher