Althalus
Palast aufgewachsen wie Ihr, edle Dame, sondern in Dreckhaufen, drum hab ich keine feinen Manieren.«
»Das muss ich mir nicht anhören!«
»Müssen vielleicht nicht, aber Ihr solltet es. Ich atme ein und aus genau wie Ihr, edle Dame, und die Luft gehört mir nicht mehr und nicht weniger als Euch. Und jetzt geht mir lieber aus dem Weg, denn mir wird bei Eurem Anblick noch schlechter als Euch bei meinem. «
Andine rannte davon.
»Steckst du dahinter?«, fragte Althalus stumm.
»Natürlich. Ich sagte dir doch, dass ich dergleichen durch dich machen muss. Gher wird sich gut entwickeln, Althalus.« Emmy hielt kurz inne. »Ich bitte dich allerdings, dafür zu sorgen, dass er sich wäscht.«
Sie blieben mehrere Tage in Nabjors altem Lager und machten Gher mit seiner neuen Situation vertraut. Der Junge war von schneller Auffassungsgabe, daran bestand kein Zweifel. Zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort hätte Althalus ihn vielleicht als Lehrling unter seine Fittiche genommen, da er die gewaltigen Möglichkeiten des Jungen erkannte. Es dauerte jedoch eine Zeit lang, ihn davon zu überzeugen, dass regelmäßiges Baden seine Beliebtheit steigern würde. Mit Emmys Hilfe zauberte Althalus Kleidung für ihren Rekruten herbei, sodass er nicht mehr so aussah, als wäre er vom Kar ren eines Lumpensammlers gesprungen.
Andine ging Gher aus dem Weg, so gut es möglich war -bis zum Morgen des vierten Tages. Da trat sie mit entschlossener Miene ans Feuer, einen Kamm und eine Schere in der Hand. »Du!« Sie wies auf einen Baumstumpf. »Setz dich da hin. Sofort!«
»Was habt Ihr mit mir vor?«
»Ich werde dein Haar richten. Du siehst aus wie ein Heuhaufen. «
»Ich kann es glatt streichen, wenn Euch das so stört.«
»Psst. Setz dich!«
Gher blickte rasch Althalus an. »Muss ich ihr gehorchen?«
»Ich an deiner Stelle würd's tun. Wir wollen doch Friede in der Familie, soweit möglich. Und du darfst sie ruhig duzen. Das ist beschlossene Sache unter den Gefährten.«
»Wie kannst du da überhaupt hindurchsehen?«, fragte Andine und griff nach der Haarfülle, die über Ghers Stirn hing. Dann fing sie angespannt zu kämmen und schneiden an. Aus irgendeinem Grund schien sie ihre selbstgestellte Aufgabe sehr ernst zu nehmen.
Gher war Haareschneiden nicht gewöhnt, deshalb zuckte er immer wieder zusammen. »Halt still!«, befahl sie. Fast eine Stunde lang kämmte und schnitt sie. Des Öfteren machte sie einen Schritt zurück, um ihre Arbeit kritisch zu betrachten. »Fertig«, erklärte sie, nachdem sie noch ein widerspenstiges Härchen gestutzt hatte. Sie wandte sich an Althalus. »Was haltet Ihr davon?«
»Sehr schön.«
»Ihr habt nicht einmal hergeschaut!« Ihr Tonfall stieg um mindestens eine Oktave. »Schon gut, schon gut. Ich sehe es mir an. Reg dich nicht auf.« Ghers Haar war nun ordentlich gestutzt und frisiert. Andine hatte
ihm Ponyfransen kreiert und das übrige Haar in Schlüsselbeinhöhe gerade geschnitten -auf die Art, wie Althalus sie aus Osthos kannte. »Wirklich nicht übel«, lobte er sie. »Wo hast du das gelernt?«
»Ich habe meinem Vater immer das Haar geschnitten«, antwortete sie. »Bei ungepflegtem Haar fangen meine Finger immer zu kribbeln an.«
»Wenigstens sieht er nicht mehr wie ein Hirtenhund aus«, bemerkte Bheid.
Andine hob Ghers Kinn und blickte ihm ins Gesicht. »Jetzt kannst du dich sehen lassen, Gher. Du bist sauber, hast neue Kleidung und eine ordentliche Frisur. Spiel nicht gleich wieder im Schlamm.«
»Nein, bestimmt nicht«, versprach Gher. Er blickte sie fast schüchtern an. »Althalus hat gesagt, dass ich Euch duzen soll.« Er blickte sie verlegen und gleichermaßen entschuldigend an. »Du bist schrecklich hübsch, Andine«, platzte er heraus. »Und was ich damals in der Nacht zu dir gesagt hab, war nicht wirklich so gemeint. «
»Ich weiß.« Sie warf den Kopf zurück. Dann strich sie über sein frisch frisiertes Haar und küsste ihn auf die Wange. »Lauf jetzt, Gher, und spiel ein bisschen, aber mach dich nicht gleich wieder schmutzig.«
»Nein, Andine«, versprach er.
Sie schaute sich um und klickte abwesend mit der Schere. »Noch jemand?«, fragte sie.
An diesem Nachmittag las Emmy den Dolch. »Kweron«, sagte sie dann zu Althalus. »Wir müssen noch eine Person finden und mitnehmen, und wir sollten uns beeilen.«
Am nächsten Morgen brachen sie ihr Lager ab und ritten nordwestwarts durch den uralten Wald von Hule. Seltsamerweise hatte Andine darauf bestanden, dass
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