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Altherrensommer

Altherrensommer

Titel: Altherrensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Malessa
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sei schließlich auch der Löwe von Juda 31 , Männer seien im Grunde Abenteurer, die Drachen töten, Schlachten schlagen und Prinzessinnen retten müssen. Und das Tollste: Frauen wollten solche Helden! Was Eldredge mit weitschweifigen Anekdoten über gemeinsame Jagd- und Kanu-Touren mit seiner Gattin zu belegen wusste.

    Der Mann sollte recht behalten: Vor allem Frauen kauften sein Buch. Das Verblüffende (viele Pfarrerinnen sagten: das Bestürzende) am »ungezähmten Mann« ist nicht das simple Menschenbild, sondern der phänomenale Erfolg eben dieses Menschenbildes bei frommen Leserinnen. Offenbar war auch in deutschen Kirchenkreisen angekommen, was die amerikanische Erotik-Bestseller-Autorin Erica Jong (»Angst vorm Fliegen«) mit einem Beispiel aus dem Kinoklassiker »Vom Winde verweht« einmal so beschrieben hat: »Es ist der modernen Frau lieber, ein Rhett Butler schleift sie die Treppe ins Schlafzimmer hoch, als dass er diese Treppe putzt.« 32 Es war nur eine Frage der Zeit, wann der nächste echte Kerl das Donnern der schaumgekrönten Protestwelle gegen Frauen und Frauenversteher auf dem Büchermeer verstärken würde. 2011 fragte sich Bärenjäger David Murrow aus Alaska: »Warum Männer nicht zum Gottesdienst gehen«, vor allem »Trucker, Trapper, Holzfäller und Ölbohrinsel-Arbeiter nicht«. 33 Ganz einfach: Weil nirgends nerviger als in den Kirchen und Gemeinden eine süßlich-weichlich-weibische Kultur des permanenten Geplappers herrsche. Statt dass man Konflikte kurz und klar »unter Männern« kläre. Draußen, im Schnee, im fairen Faustkampf.

    Großvater, 55 oder 60 plus, hat die sandigen Socken vom Spielplatz in den Wäschekorb geworfen, hat die kaugummiverklebte Hose gegen eine saubere gewechselt und ist auf der Treppe zwischen Bad und Wohnzimmer an einem gerahmten Foto seines Sohnes stehen geblieben. Erster Schultag 1985. Der Junge hatte darauf bestanden, eine Farbkopie des Bilderbuchcovers »Wo die wilden Kerle wohnen« auf die Schultüte zu kleben. Die kurze Vorlesegeschichte
handelte davon, wie Max ohne Abendbrot ins Bett geschickt wird, in den Wald geht, dort die Monster zähmt, von ihnen zum König gekürt wird und am Ende doch alles nur ein Traum war. Hat es was zu bedeuten, dass Maurice Sendaks Kurzgeschichte aus dem Jahre 1963 knapp 30 Auflagen erlebte und 48 Jahre später als Spielfilm in die Kinos gekommen ist? Und dass dort nicht etwa nur Kinder, sondern junge Businessmänner sitzen? »Wo die wilden Kerle wohnen« – ein Kultfilm für Erwachsene?! Irgendwas hat sich gedreht, denkt Opa und seufzt.

    Ende der 80er Jahre entstanden Vereine wie »Väteraufbruch«, später »Manndat« oder »Agens«, die sich in der Familien- und Sozialpolitik, vor allem aber in den Medien für die Rechte von Vätern einsetzten. Für die (Sorge-) Rechte getrennt lebender, geschiedener oder nichtehelich lebender Väter zunächst, weil sie einen Komplott von Müttern und Familientherapeutinnen, Erzieherinnen und Familienrichterinnen, eine grundsätzlich feministischideologische Voreingenommenheit festzustellen glaubten. Männer seien halt nicht immer die Schurken in einem Rosenkrieg, sondern immer öfter auch die Opfer. Was ja zweifellos stimmt. Trotz Novellierung des Sorgerechts durch den Bundestag 1998 zugunsten der Väter wurde der Ton der »Männerrechtler« um die Jahrhundertwende schärfer und schriller. Inzwischen war nämlich die Benachteiligung von Jungen im Bildungswesen offensichtlich und aktenkundig geworden. Im Kindergarten, gleich welcher Trägerschaft, arbeiten zu 95% Erzieherinnen, in deutschen Grundschulen unterrichten zu 86% Prozent Lehrerinnen, am Gymnasium immerhin noch 51,2% Studienrätinnen. »Der einzige männliche Erwachsene, den
das Kind zu sehen bekommt, ist der Hausmeister.« 34 Dass pubertierende Mädchen im Sportunterricht ungern von Jungen beobachtet und höhnisch kommentiert werden, war Sportlehrerinnen schnell einsichtig. Dass pubertierende Jungen ungern Fremdsprachen lernen, wenn Mädchen ihre Aussprache-Versuche höhnisch bekichern, ist vielen noch immer nicht klar. Trotzdem oder deshalb wird der »koedukative Unterricht«, also der gemeinsame von Jungen und Mädchen, in vielen Schulen wie eine Trutzburg der Geschlechtergleichbehandlung verteidigt. Und auch zu Hause (bei der immer häufiger alleinerziehenden Mutter) darf der flaumbärtige Teenagerknabe nicht mit allzu viel Verständnis rechnen, wenn seine Leistungen abfallen. Auch wenn Mama gerade erschrocken in der

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