Altherrensommer
frauensolidarischen älteren Herren bisweilen doch sehr.
Mütter und Väter jenseits der 50 haben vielleicht nicht so richtig mitgekriegt, dass es anschwellenden Männerprotest gegen die frauenemanzipierte Welt gibt, weil sich diese Gegenbewegung zunächst innerhalb kirchlicher Kreise formierte: »Ganz Gallien ist von der Gleichstellung der Geschlechter erobert«, konnte man mit Asterix & Obelix sagen, »ganz Gallien? Nein.« Dieses unbeugsame Dorf, dachte Opa bisher, das sind die katholische Kirche und der konservative Flügel der evangelischen Kirche. Wo Frauen keine Priesterinnen werden oder nicht predigen dürfen, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen zwar viel zu tun, aber nichts zu sagen haben und in russlanddeutschen Freikirchen Frauen und Männer noch getrennt sitzen müssen. Der Laienbruder, ein Heizungsinstallateur, predigt vorne und die Schwester im Glauben, eine promovierte Religionslehrerin, schweigt hinten. Weil der Apostel Paulus das so wollte, heißt es. 24
Aber nun gut, unser Grundgesetz garantiert die Gewissens- und Religionsfreiheit. So lange Frauen mit ihrer Degradierung einverstanden sind, nicht geschlagen und nicht zwangsverheiratet werden, sind der breiten deutschen Öffentlichkeit die exotischen Eigenarten religiöser Minderheiten im Grunde wurscht. Im toten Winkel dieses
öffentlichen Desinteresses aber, Mitte der achtziger Jahre, als die heutigen »Silver Liner« in der beginnenden Lebensmitte Häuser bauten und Kinder zeugten, baute sich weit draußen auf dem Büchermeer eine Woge auf. Ein zölibatär lebender Katholik in der Nachfolge des sanften Franz von Assisi, Pater Richard Rohr aus Albuquerque/New Mexiko, sandte seine Leser 1986 auf zwei Reisen: Die eine ging zur »inneren Weiblichkeit« nach dem Vorbild des biblischen Jüngers Johannes 25 und die andere zur »echten Männlichkeit« nach dem Vorbild des biblischen Täufers Johannes 26 . Sein Buch hieß »Der wilde Mann« 27 , war eigentlich nur die übersetzte Niederschrift von vier Vorträgen, schlug aber innerhalb und außerhalb christlicher Kreise wie eine Bombe ein. Warum? Weil Richard Rohr aus den (archetypischen Bild-) Quellen des Schweizer Psychoanalytikers C.G. Jung, aus der Befreiungstheologie Lateinamerikas und aus seinen eigenen spirituellen Exerzitien einen Weg der »Männerbefreiung« jenseits von Softie und Macho bahnte. Befreiung? Wovon? Richard Rohr meinte damals, befreit werden müsse der moderne Mann aus der Vorbildlosigkeit seiner »vaterlosen« Herkunftsfamilie – was in Deutschland die Söhne von Nazi-Mitläufern und Wehrmachtslandsern besonders gut verstanden – und aus der Überforderung, in der Ehe ein zärtlicher Liebhaber, im Beruf aber ein harter Bursche sein zu müssen.
1990 akzentuierte das ein zweiter Bestseller schon ganz anders und die Welle neuer Überlegungen zur Männlichkeit wogte höher. Nicht aus der Bibel, sondern aus Grimms Märchen nahm der damals 64jährige Mythologie-Forscher Robert Bly den Typ des »Eisenhans« zum Vorbild, um in den Seelen seiner Leser »den König, den Krieger und den
wilden Mann auszugraben«. 28 Ausgraben? Wieso? Wurden die denn verschüttet? Von wem? Von der Tatsache, dass die Vätergeneration kein gutes Vorbild als König, Krieger oder wilder Mann mehr abgab. Verschütt’ gegangen waren König, Krieger und wilder Mann durch ein geändertes Berufsbild, das nach »weiblichen« Qualitäten fragte. Vor allem aber durch den Feminismus und eine zunehmend weiblich dominierte (Negativ-)Bewertung ureigener männlicher Eigenschaften. Damit stand der »Eisenhans« von Robert Bly im Verdacht, dass die gesuchte »neue Männlichkeit« in Wirklichkeit lediglich die alte sei: Der 60er-Jahre-Patriarch nämlich, märchenmythologisch leicht aufgehübscht. Und was kommt dabei raus, wenn zehn Jahre später ein ehemaliger Mitarbeiter des US-evangelikalen Medienkonzerns »Focus on the Family« aus Colorado Springs den Bly’schen »Eisenhans« auf biblische Flaschen zieht? Ohne die intellektuelle Besonnenheit eines Richard Rohr, dafür aber mit ganz viel Cowboy-Kitsch? »Der ungezähmte Mann« von John Eldredge 29 kommt dabei raus. Der englische Originaltitel – »Wild at Heart« – ist der Begeisterung des Autors für den Kinofilm »Braveheart« geschuldet. Schluss müsse sein mit diesen verweichlichten Triefnasen in christlicher Demutsgeste, die sich ihre Schwächen auch noch zugutehalten. Schluss mit Männern, die immer nett, immer zahm sind und Jesus nur als Opferlamm sehen. 30 Jesus
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