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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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eben Zimmermann von Beruf. Beim zweiten Judas war’s ein Autounfall. Der war Milchfahrer. Schreckliche Tragödie! Und der dritte ist jetzt seit fünf Tagen vermisst, spurlos verschwunden.«
    »Oberammergau!«, rülpste Plotek wieder dazwischen.
    »Wie Oberammergau?« Arno war jetzt fast schon ein wenig ärgerlich. Plotek hob die Hand, und Susi stellte zwei neue Tequilas auf den Tresen.
    »Prost!«, sagte Plotek.
    Arno nickte nur. Wieder Zitrone mit Schale bei Plotek. Wieder das Gesicht von Arno zerknautscht wie ein Bernhardiner. Dann lange Pause. Das erste Mal, dass Arno so lange nichts sagen konnte oder wollte, auf jeden Fall war alles ruhig*
    Dann Plotek: »Leiht euch den Judas doch aus Oberammergau.«
    Noch immer Stille. Plötzlich fing Arno so laut an zu lachen, dass Susi Angst um ihren Tresen kriegte. Arno war jetzt völlig unberechenbar. Wie schnell schlägt Freude in Aggression um. Der Beweis: Die Fußballspiele jeden Samstag in Deutschlands Stadien. Zuerst Friede, Freude, dann Massenschlägerei, alles kaputt, und Schuld ist immer der Schiedsrichter. Stimmt schon, manchmal pfeifen die aus dem allerletzten Loch, aber was soll man machen. Arno jedenfalls beruhigte sich schließlich, bestellte noch zwei Tequilas und zog die Gedankenkette enger, so dass Plotek husten musste. Es kann natürlich auch der Tequila gewesen sein.
    »Bloß nicht Oberammergau!«, sagte Arno, »das ist doch die Konkurrenz! Ja, in Oberammergau gibt es schon seit 1634 die Passionsspiele. Die haben da Tradition. Alle zehn Jahre. Die Oberammergauer Passionsspiele sind in der ganzen Welt bekannt. Bis von Japan kommen die Zuschauer. Oder sagt man jetzt, aus? Aus Japan? Egal. Und Amerika. So wie auf das Oktoberfest. Oder sagt man jetzt zum? Zum Oktoberfest? Egal. Was das Oktoberfest für München ist, sind die Oberammergauer Passionsspiele für Oberammergau. Das ist ja auch nicht weiter schlimm, sollte man meinen. Aber, falsch gemeint. Jetzt kommen wir Altöttinger daher und wollen das erste Mal dasselbe machen, und die in Oberammergau wittern schon Konkurrenz. Obwohl bei uns alles viel kleiner ist. Aber dafür jedes Jahr. Also, unmöglich den Judas aus Oberammergau auszuleihen. Völlig unmöglich. Die würden uns nicht mal das Kreuz für den Jesus leihen. Oder die Dornenkrone. Im Gegenteil. Wir, die Altöttinger, glauben sogar eher, dass hinter den Judasausfällen die Oberammergauer stecken. Weil beim ersten Mal hätte es noch Zufall sein können, beim zweiten Mal gab’s schon Zweifel und beim dritten Mal ist Absicht zu unterstellen. Ich meine, wenn schon nicht direkte, dann vielleicht transzendentale, verstehst du?
    Man hat ja schon allerhand gehört, von Kräften, die ins Spiel kommen, von deren Existenz man vorher überhaupt noch nichts gewusst hat. Und der Herrgott, der Glaube, versetzt ja bekanntlich nicht nur Berge, sondern schmeißt mit Leichtigkeit jeden x-beliebigen Zimmermann vom Dach. Wer weiß? Es kann ja nur vermutet werden. Beweise gibt es natürlich nicht. Außerdem, auf welcher Seite und ob überhaupt und für was der Herrgott steht, ist völlig unklar. Fürs Neue? Oder doch eher für die Tradition? Keine Ahnung. Da sind sich ja nicht mal die Oberen der katholischen Kirche einig. Das ist alles Spekulation. Reine Spekulation. Jeder Rat ist teuer, und der Glaube hilft jetzt auch nicht mehr weiter. Jedenfalls muss jetzt ein neuer Judas her.«
    »Du!«
    »Jaja, sicher könnte ich, schon, natürlich. Aber du weißt ja, es gibt Bessere. Mein Metier ist das Geschäft, nicht die Bühne. Ich sorg dafür, dass die Würscht verkauft werden, die Rosenkränze und Schneekugeln. Die Eintrittskarten und, und, und. Spielen müssen andere.«
    Und wie zur Bestätigung, ringring, schrie eines der Handys vom Tresen, wo es Arno nach dem Toilettenbesuch wieder gut sichtbar hingelegt hatte, damit es auch ja nicht weglaufen konnte. Ringring.
    »Ja! Am Apparat. Was? Nein, nichts von der Judasgeschichte, bloß nicht. Das geht niemanden was an. Nein! Und die von der Presse gleich zweimal nicht. Nein, habe ich gesagt. Auch kein Aufruf. Ja, spinnt ihr denn jetzt völlig, nix ›Altöttinger suchen Judas‹! Das ist doch lächerlich. Das regeln wir anders. Ja. Servus!«
    Arno legte auf und erzählte genau da weiter, wo er vorher aufgehört hatte. Wie ohne Telefongespräch dazwischen.
    »Also, alle Umbesetzungen sind gescheitert. Der Judas ist einfach zu tragend. Den kann nicht einfach ein Johannes spielen. Der Reitmayer hat’s ja versucht. Grauenhaft. Das

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