Altoetting
Stimme nicht mehr tonlos, aber noch immer kratzig und flatterig, mit Worten aus der Abteilung »schlechtes Gewissen«.
» Gestern im Hotel.«
»Sie wollte eigentlich zu dir!«
»Zu mir?«
»Ja, ich hab gesagt, du bist nicht da. Ich hätt schon nachgeschaut.«
Pause. Schweigen. Nur noch Blicke. Arno hat Plotek taxiert und Plotek jetzt den Zapfhahn. In der Hoffnung, dass da außer Bier vielleicht auch noch eine Erklärung herauskommen könnte. Aber trotz Hoffen und hypnotischen Augen kam da nichts. Also hat er sich wieder Arno zugewandt.
»Was wollte sie?«
Arno saß noch immer aufrecht am Tresen, wie mit einem Stock im Rücken.
»Na ja, sie war unentschlossen, wusste nicht, ob oder wie oder was. Da hat sie dann eben mich gefragt. Ob sie sollte oder nicht. Hat mich gefragt, ob ich was wüsste.«
Das waren einunddreißig Worte und kein Buchstabe Verständnis. Wieder ein Beweis dafür, dass viel reden nicht unbedingt heißt, dass man etwas sagt. Diese einunddreißig Worte haben gar nichts erklärt, zumindest Plotek nicht. Deshalb war Plotek fast ein wenig ärgerlich.
»Was?«
Arno war noch eingeschüchterter und so aufrecht, als ob er mit dem Kopf an der Decke vom Stiegler Keller aufgehängt wäre.
»Na ja, ob du ein Undercoverermittler bist!«
Wieder Pause. Schweigen. Plotek befand sich jetzt irgendwo zwischen Wut- und Lachanfall. Natürlich hat er das erfolgreich kaschiert. Bloß nicht aus der Rolle fallen. Er biss sich also aufs Wangenfleisch, um mit dem Schmerz den Lachdrang abzumildern. Das war ein bewährter Schauspielertrick. Arno dagegen war ratlos.
»Ja, die Merz Monika hätte überall herumerzählt, dass du verdeckt ermitteln würdest. Und deshalb wollte sich die Frau Zeller dir anvertrauen.«
Beim Namen Merz Monika gab es wieder einen Stich im Kopf vom Plotek. Quasi Pawlow’scher Reflex. Arno war unbeeindruckt davon und lief jetzt wie ein leckes Bierfass in einem gleichmäßigen, monotonen Strahl aus.
»Weil, na ja, sie hatte unter der Schmutzwäsche von ihrem Mann, wie die Polizei später dann auch den Pullover, zuvor schon ein fremdes Hemd gefunden – kariert, wo er doch nur unifarbene hat. Jetzt hat sie vermutet, dass das Hemd vielleicht vom Mutschler wäre, weil der doch mit nacktem Oberkörper einbetoniert worden war. Und vom Hemd war ja weit und breit keine Spur. Obwohl die Frau Zeller noch nie eine Leuchte gewesen war, also eigentlich immer schon einen Intelligenzquotienten nahe der Körpertemperatur gehabt hat, hat sie erstaunlicherweise glasklar kombiniert. Ja, hübsch, wirklich ausgesprochen hübsch ist sie. Auch jetzt noch, im fortgeschrittenen Alter. Obwohl, für fast 50 sieht sie sogar noch extraklasse aus. Na ja, da wird natürlich auch mit viel Kosmetika und allerhand anderen Tricks nachgeholfen. Aber egal, trotzdem ist sie eine Schönheit. Und immer picobello gekleidet. Nur das Schönste vom Schönen hat die an. Meistens kommt das ganze Zeug aus München, aus der Maximilianstraße. Dafür war sie im Kopf umso weniger aufgeräumt. Na ja, sie setzt halt andere Prioritäten. Die Zeit, die ihr Aussehen verlangt, fehlt eben bei der Bildung. Aber bisher ist die Frau Zeller damit ganz gut gefahren. Aber egal. Mir war sofort klar, dass Frau Zellers Vermutung sicher auf anderem Mist gewachsen war. Und tatsächlich. Hinter dem Verdacht steckte der Bürgermeister von Oberammergau.
Also der neue alte Liebhaber. Der hat ihr nahegelegt, gleich zur Mühldorfer Kriminalpolizei zu gehen, wobei damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen worden wären. Der Mann wäre entsorgt und die Passionsspiele am Arsch. Aber die Frau Zeller hat ein schlechtes Gewissen gehabt. Weniger wegen ihrem Mann. Sie wollte sich ohnehin von ihm trennen. Sondern vielmehr wegen der Passionsspiele und der Existenz von Altötting. Deshalb wollte sie zu dir. Also über Umwege zum Ziel. Und alles heimlich. Ich hab ihr natürlich gesagt, das mit dem undercover ist Blödsinn. Du bist Schauspieler und zu allem anderen unfähig.«
Jetzt kam ein kleines Schmunzeln von Arno und ein böser Blick von Plotek. Arno hat also schnell weitererzählt.
»Ich hab ihr dann abgeraten, das Hemd an die große Glocke zu hängen. Zumindest bis zur Premiere, weil das bringt ja nichts, hab ich gesagt. Und stimmt ja auch. Hat sie dann auch eingesehen.«
»Und dann?«
»Ist sie gegangen.«
»Und du?«
»Ich hab noch einen Tequila getrunken und dann bin ich auch weg.«
Und dann ist Arno plötzlich aufgefallen: Das sind ja völlig
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