Altoetting
unumstößliche Glaube an den Sieg.« Irgendwie hat das unter den Stoppeln hervorgeklungen wie die Aufforderung zum Angriff aus einem Stadionlautsprecher.
»Also an die Premiere?«, gab Plotek im gleichen Tonfall zurück, wobei er das Fragezeichen erst gar nicht mitbetonte.
»Richtig! Und da muss man eben manchmal anders, als man will.« Wieder wie ein Schlachtruf von der Hasenscharte.
»Ja, und im Fall vom Zeller auch.« Der Schnauzer ohne Scharte.
Jetzt horchte Plotek auf und schaute wieder wie ein Schwamm. Der Schnauzbart mit Hasenscharte hat sich also erst gar nicht bitten lassen müssen.
»Der war einfach nicht länger zu halten. Bei so einem Alibi haben wir ihn freilassen müssen. Ja, wobei ich glaube. . .«
Mit »Für den Glauben ist der Herrgott zuständig« ist der Schnauzer ohne Scharte dazwischengegangen.
Dann haben beide den Blickkontakt zu Plotek gesucht und mit einem kollektiven Schmunzeln auch gefunden. Aber nicht lange, weil ein roter Mercedes wie ein Pfeil an der Camel rauchenden Kleingruppe vorbeigerast ist. Der war erheblich zu schnell. Sofort war Schluss mit lustig. Die Oberlippenbärte sind bis zur Kinnunterkante gerutscht. Dann wurde das Blaulicht auf dem Dach angeworfen, die Polizisten haben sich in den Wagen gepackt und das Ende der Unterhaltung war erreicht. Ab ging die Post – die Bärte fuhren mit Lalülala davon.
Plotek ist also wieder in den Z3 gestiegen und hinterhergefahren. Aber nicht, wie vielleicht erwartet, was die Kiste hergab. Nein, im Gegenteil. Wieder typisch Plotek. Ganz geruhsam, sogar noch unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ist Plotek dahingetuckert, schleichend übers Land, immer weiter und wie automatisch der Straße nach. Wasserburg, Rosenheim, Bad Tölz – und plötzlich ist er wie von ganz allein am Ortsschild Oberammergau angekommen. Da legte er eine Vollbremsung hin und dabei fielen ihm die Schuppen von den Augen. Die Erkenntnis war da und quasi die Bestätigung der These. Mit dem Z3 sechszylindrig auf dem Weg zur Lösung.
9
Zurück in Altötting kam dann wieder die Ernüchterung. Die Erkenntnis platzte wie ein Luftballon. Ploteks ungetrübter Blick war nur von kurzer Dauer. Plotek hatte nämlich beim Anblick des Oberammergauer Ortsschildes gedacht. . .
Aber egal, weil trotz Trugschluss kam es zumindest zu einer zeitweiligen Entspannung. Auch zu einem ungeahnten Glücksgefühl, zumindest von Oberammergau bis nach Altötting zurück. Im Z3 und ohne jetzt die Geschwindigkeitsbeschränkung zu beachten, ist Plotek nur zwei Stunden und 32 Minuten unterwegs gewesen. Das ist doch was, dachte Plotek. Und dann: Manchmal bringt eben nicht der vordergründige Gedanke die Lösung, sondern einer, an den man nicht ums Verrecken denken möchte. Bei Plotek war das fast immer so.
Plotek hat fast immer nur um Ecken gedacht. Genauso wie bei der Votivtafel in der Gnadenkapelle. Was ihm da natürlich zugute kam, war, dass er auf dem Kapellplatz wieder mal zufällig den Guardian Martin traf. Er hat ihn dann auch gleich nach dem Hieronymus Bosch gefragt. Pater Martin musste herzhaft lachen, als er hörte, dass Plotek die Votivtafel in der Gnadenkapelle mit einem echten Bosch verwechselt hat. Er konnte ja nicht wissen, dass Plotek ein Schlitzohr ist.
»Nein, nein, das Bild ist nicht von Bosch, sondern vom Pater Franz«, hat Pater Martin gesagt. Dann, nach längerem um-die-Ecke-Bohren von Plotek und über den Umweg Franz von Assisi, hat der Guardian auch noch Weiteres herausgerückt. »Na ja, ein Ehemaliger vom Kloster, der Onkel von Pater Manuel«, hat Martin gesagt, und schon wusste Plotek wieder mal mehr, als er zu erfahren erhofft hatte.
Die Probe war dann eine einzige Katastrophe. Arno war natürlich über das Judas-Stadium längst hinaus. Er stand nur noch lallend und mit extremen Gleichgewichtsstörungen auf der Bühne. Auch äußerlich war er so desolat, dass es selbst der Ahnungsloseste sehen musste: Das kann nur Jesus’ Verräter sein. Jedem, der von Arno wissen wollte, was denn los sei, hat er nur ein kaum verständliches »am Samstag bin ich fällig!« entgegengenuschelt.
Natürlich war jedem klar, wenn Arno als Judas so auf Niederbühler trifft, dann gute Nacht. Da konnte man nur hoffen, dass der Alte im Regiestuhl schon schlief, wenn Arnos Szene dran war, sonst würde Niederbühler zum Jesus und dann . . . oh, oh . . . Reinigung des Tempels.
Niederbühler hat natürlich nicht geschlafen. Im Gegenteil, trotz mehrerer Weißweinschorlen war der
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