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Altoetting

Altoetting

Titel: Altoetting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Geiste. Genauso wie der Granz.«
    »Der Milchfahrer?«
    »Aber ja, auch der Granz ist doch nur die Böschung hinuntergefahren in den Tod, weil dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden. Und deinem Willen folgend musste auch der Mutschler büßen für seine Sünden und Sterben in Gottes Namen und durch meine Hand.« Dazwischen ständige Bekreuzigung von der Froni. »Ja, weil sie mir meine Mutter genommen haben, Mutschler, Granz, Zeiler und Brunner, und sie in den Tod trieben, so dass ich als Waise bei mir fremden Menschen aufwachsen musste. Die Zellers waren wie leibliche Eltern, ja das schon, weil ich ja bis vor vier Wochen von meiner toten Mutter nichts gewusst hab. Meine Adoption war geheim. Du, mein Herr und Gott, weißt doch, meine leibliche Mutter hat nicht existiert, hat nicht existieren dürfen, damals nicht, heute nicht, nie. Aber, mein Herr Jesus, ein Kind, ein Kind liebt doch seine Mutter, fast so wie dich, mein Gott und Herr. Und diese Verfluchten haben sie mir genommen, diese Sündhaften, und mehr noch, totgeschwiegen haben sie sie, wie alle anderen in Altötting auch. Und als ich es dann erfahren musste, von meinem sterbenden Vater und durch den Mund von Manuel, und du, Herr Jesus, dann den Granz und den Zeiler für ihre Sünden bestraft hast, da konnte ich nicht mehr anders, da musste ich die anderen auch richten, den Mutschler und den Arno . . .«
    »Aber der Granz, der Granz, das war doch kein Unfall, das, das, das warst doch du!«, hat Plotek jetzt aus sich herausgestottert.
    »Nein, nein, mein Herr und Gott, nur der Mutschler und jetzt, verdamm mich, der Bartholomäus.«
    »Und der Zeiler? Der Zeiler war auch nur ein Unfall? Und ist einfach so vom Dach gefallen?«
    »Ja, nein, doch, weil du es gewollt hast, mein Sohn, mein Jesus!«
    Jetzt ist Plotek schlagartig ein Licht aufgegangen und sein Gedankengebäude ist ineinandergestürzt wie ein Kartenhaus.
    »Und jetzt, jetzt habe ich versagt!«, säuselte Froni weiter. »Versagt, beim Arno und einen Unschuldigen. . . Oh Gott. . . Verzeih mir, mein Herr Jesus, mea culpa, mea culpa!«
    »Froooooni, Froooooni!«, hat Plotek jetzt lauter gesprochen als üblich, »Froooni, hör mir jetzt zu. . . Froni! Steh auf. . . Frooooni!«
    »Nein, nein, mein Schöpfer, verzeih mir. . .«
    »Jaaa doch, jaaa doch, ich verzeih dir ja, aber. . .«
    »Nein, nein, verzeih mir, das, was ich jetzt tun werde, was ich jetzt tun muss. Aber verdamm mich in alle Ewigkeit, ich kann nicht anders, mea culpa, mea culpa, mein Herr und Gott, sei mit mir. . .«
    Die Zeller Froni ist jetzt aufgesprungen wie ein Flummi, und während Plotek das Jesuskostüm gerade über den Kopf ziehen wollte, weil er dachte, wenn vor der Froni vielleicht nicht mehr Jesus steht, sondern er als Plotek ganz privat, dann . . . Schon hat er einen Schlag am Kopf gespürt, ist getaumelt, gestürzt, gefallen und liegen geblieben. Während Froni den Weihrauchkessel neben den bewusstlosen Plotek geworfen hat und dann auf und davon ist, ist Plotek wieder mal Achterbahn in den Hemisphären gefahren. Der Kopf war in Rabenschwärze getaucht, und die Gedanken sind wieder wie Rotkehlchen durch die Luft geflogen. Alle tauchten sie jetzt im Kopf von Plotek auf, quasi Generalversammlung: Zeiler, Mutschler, Granz, Arno, Froni, das komplette Laienspielensemble, die Toten und die Lebenden, der Sauerkrautgeruch. Die Vergangenheit und die Gegenwart, Billard spielend um Zukünftiges. Die schwarze Kugel rollend auf dem Weg ins noch schwärzere Loch. Aus Sauerkrautfetzen geformt die Frage: Warum?
    Der Herr ist allmächtig, außer wenn ohnmächtig, hat Plotek ganz in Gedanken, noch immer in der Requisitenkammer liegend, gedacht und Glocken gehört. Und dann, bin ich jetzt schon im Himmel oder ist das weltliches Gebimmel? Immer lauter hat es gebimmelt, bis das Schwarz vor den Augen plötzlich farbig wurde, das Abstrakte konkret. Aus Flächen wurden Tiefen, aus Nichts Requisiten. Ein Kreuz tauchte auf, ein Weihrauchkessel, zwei Gipsmadonnen. Plotek erwachte aus der Ohnmacht – aber das Gebimmel war noch immer nicht verstummt.

    Es war genau 21 Uhr 51, als plötzlich die Gnadenkapelle läutete und nicht mehr aufhören wollte, bis der Guardian die Glocke endlich arretiert hatte. Dazwischen lief ein visuelles Horrormaterial ab. Zunächst gab es allgemein große Verwunderung wegen dem Läuten, weil das um diese Zeit völlig ungewöhnlich und eigentlich noch nie der Fall gewesen war. Die Glocken der Gnadenkapelle konnte man

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