Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
sich mithilfe ihrer magischen Fähigkeiten nehmen, was sie zum Leben brauchen. Sie lassen jeden leiden, der sich ihnen in den Weg stellt. Als ich noch im Westen lebte, taten wir anderen uns von Zeit zu Zeit zusammen und stellten ihnen nach. Aber – und das solltest du dir merken – es ist immer schwer, gegen jemanden zu kämpfen, der von Grund auf böse ist und anderen schaden will. Ein einzelner böser Magier hat aufgrund seiner Unverfrorenheit oft mehr Macht als eine Gruppe von guten.“
Anne nickte – Mirajs Ausführungen erschienen ihr einleuchtend. „Aber wieso hat man euch überhaupt an der Universität aufgenommen, wenn euer Zauber so viel Schlechtes bewirkt?“ – Miraj sah sie durchdringend an. „Es ist nicht der Zauber, der schwarz ist, sondern die Tradition seiner Verwendung. Ich kann ein magisches Feuer entfachen, um einen Hof in Schutt und Asche zu legen. Oder ich nutze es, um darauf das Fleisch für eine gute Mahlzeit zu rösten. An der Universität lernt mein Volk, den ursprünglich bösen Zauber für gute Zwecke einzusetzen und die eigenen Kräfte zu zügeln.“ – „Ich verstehe“, sagte Anne. „Aber wenn du es schaffst, Feuer heraufzubeschwören – kannst du dann nicht auch dafür sorgen, dass wir auf unserer Reise durch das karge Land nicht verdursten?“ Miraj lächelte. „Ja Anne, das kann ich. Wir werden im Notfall auch darauf zurückgreifen. Aber selbst mich kostet ein solcher Zauber Kraft. Und zwar mehr als das Feuer, das ein – wie soll ich sagen – der schwarzen Magie durchaus verwandtes Element ist. Unsichtbar zu machen vermag ich uns dagegen nicht – und das ist auch gut so. Denn wenn ich das könnte, so könnten es auch die Schwarzmagier.“
Anne nickte wieder. „Eine komplizierte Sache, die Magie“, sagte sie. – „Das ist wahr“, stimmte ihr Miraj lächelnd zu. „Und wir sollten sie nur gebrauchen, wenn es nicht anders geht.“ Anne wunderte sich im Stillen über diese Bemerkung. Ob wohl alle Magier so dachten? Das konnte sie sich kaum vorstellen. – „Ich wünschte, ich hätte meine Kräfte nutzen können, um deinen Vater zu retten“, sagte Miraj. „Leider kann keine Magie der Welt verhindern, dass die Menschen und Magier, die wir lieben, sterben.“ Anne sah ihn skeptisch an. „Aber du hast doch gesagt, die Grünmagier könnten Tote auferwecken.“ – „Nein, Anne, ich sagte Beinahe-Tote. Damit meinte ich auf magische Weise schwer verletzte und genötigte Menschen und Magier. Und selbst das können nur sehr erfahrene, alte und weise Grünmagier leisten – einige Mitglieder des Ordens etwa. Uns Menschen ist das nicht vergönnt.“
Damit schloss Miraj seine Rede und sah sie an. „Wie sieht es nun aus, Anne? Vertraust du mir? Dann werde ich dich in mein Haus bringen und dafür sorgen, dass du dort unbehelligt leben kannst, solange Henri auf der Universität ist. Es wird nicht ganz einfach sein, die Grünmagier zu überzeugen, jemanden ohne magische Fähigkeiten dauerhaft in der Schutzzone zu behalten, aber ich werde sie schon überzeugen – vorausgesetzt, dass du es willst.“ Anne dachte für einen Augenblick an ihren Traum zurück. Sie sollte nun also bei Miraj leben – nicht als seine Frau, aber als sein Mündel. Die Alternative wäre, sobald wie möglich in die ihr bekannte Welt zurückzukehren und dort völlig allein zu sein. Und wovon sollte sie leben? „Ich denke nicht, dass ich eine Wahl habe, oder? Ich würde ansonsten verhungern.“ Miraj entgegnete etwas ärgerlich: „Ich habe deinem Vater versprochen, für dich zu sorgen. Und ich nehme meine Versprechen sehr ernst. Falls du dich entschließt, in deine Welt zurückzukehren, sobald wir Henri in der Schutzzone abgeliefert haben, würde ich für dich eine gute Stelle als Magd auf dem Hof einer menschlichen Familie suchen und dafür sorgen, dass du dort nicht in Armut lebst.“ Anne war beruhigt. Miraj ließ ihr also die Wahl und würde sich für ihre Wünsche einsetzen, egal wie diese aussahen. „Ich vertraue dir und ich werde gern vorerst in deinem Haus leben. Sicherlich kann ich mich auch dort nützlich machen und dir in der Küche zur Hand gehen“, antwortete sie daher. Miraj lächelte. „Das wird nicht nötig sein. Aber ich bin mir sicher, dass wir irgendwo eine Aufgabe für dich finden. Und nun solltest du dich ausruhen. Sobald es dunkel ist, werden wir weiterreiten.“ Anne nickte, stand auf und ließ Miraj in der Mittagssonne zurück.
Als sie zu ihrem Schlafplatz zurückkehrte, fand
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