Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
sie Henri wach vor. Misstrauisch beäugte er sie. „Was hast du denn da mit Miraj geredet?“ – „Er hat mir nur ein paar Dinge über eure Welt erzählt. Jemand musste es ja tun“, entgegnete Anne ein wenig schnippisch. – „Ich habe dir zu deinem eigenen Schutz nichts davon erzählt. Da du die magische Welt wieder verlassen wirst, ist es besser für dich, wenn du nicht zu viel weißt. Außerdem ist es untersagt, Nicht-Magier einzuweihen. Wir haben einen Eid geschworen. Ich begreife nicht, warum sich Miraj nicht daran hält.“ Anne stieg das Blut in den Kopf. Mit welcher Selbstgefälligkeit Henri ihr wieder unter die Nase rieb, dass sie in seiner Welt nichts verloren hatte. „Weißt du, Henri, ich werde eure Welt nicht so bald wieder verlassen. Miraj hat mir eben angeboten, in seinem Haus zu leben und ich habe angenommen.“ Jetzt war es Henri, dem die Farbe ins Gesicht schoss. „Das ist völlig unmöglich. Der Hohe Rat wird niemals zulassen, dass du dort lebst. Und ich werde es nicht dulden.“ Er war so laut geworden, dass Miraj aufmerksam wurde. „Wenn ihr beiden Streithähne euch nicht gleich schlafen legt, werde ich mit euch durch die brütende Mittagshitze und die gesamte Nacht hindurch reiten, da ihr ja anscheinend nicht müde seid“, drohte er. Henri funkelte ihn und Anne noch einmal wütend an und drehte sich dann weg. Was ist nur mit ihm, fragte sich seine Schwester, während ihr die Augen zufielen.
Kapitel 10: Der Ungläubige
Als Anne kurz nach Sonnenuntergang erwachte, fühlte sie sich träge. Sie hatte den Verdacht, schlafgewandelt zu sein, konnte sich jedoch nicht an ihren Traum erinnern. Solange ich nicht zu Miraj gegangen bin und ihm von unserer Hochzeit erzählt habe, ist ja alles in Ordnung, versuchte sie sich halb im Scherz zu beruhigen. Schon mahnten die Männer zum Aufbruch. Schweigend ritten sie die ganze Nacht, für die ersten Stunden geschützt durch ein schwaches INVISIBEL. Die Landschaft war jetzt wüstenartig und es gab keine Bäume mehr, die Schatten spendeten. Als die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages durch die Wolken brachen, verkrochen sie sich hinter einer großen Kakteen-Formation. Schon jetzt hatte die Sonne sehr viel Kraft und Anne nahm große Schlucke aus ihrer Feldflasche, um nicht auszutrocknen. Auch diesmal schlief sie schlecht und erwachte mit schmerzenden Gliedern. Wenn ich hier tatsächlich schlafwandle, kann ich froh sein, dass uns noch kein Schwarzmagier gefunden hat, dachte sie.
Während des nächsten nächtlichen Ritts fühlte sie sich angespannt. Dass sie ihren Bruder, der mit aschfahlem Gesicht aufgewacht war, mehr im Sattel festhalten musste als sich umgekehrt an ihm festzuhalten, machte die Sache nicht besser. Selbst Animus tänzelte unruhig hin und her – was Miraj wiederum beunruhigte. „Wir sollten diesmal auch den Tag durchreiten. Etwas stimmt nicht, die Verfolger scheinen uns einzuholen. In etwa 24 Stunden sollten wir die Grenze zum Reich der Grünmagier passieren, dann sind wir in Sicherheit. Aber das wissen auch unsere Feinde. Henri, wie geht es dir? Hast du noch Kräfte?“ Henri starrte finster vor sich hin. INVISIBEL murmelte er und sie wurden erneut unsichtbar. Doch schon nach wenigen Minuten erschienen ihre Körper wieder. „Von jetzt an müssen wir ohne Magie auskommen“, stellte Miraj fest. „Du bist zu entkräftet, um uns zu schützen.“ Sie ritten die Nacht durch und auch die ersten Morgenstunden.
Gegen Mittag wurde es unerträglich heiß und ihre Feldflaschen waren beinahe leer. Anne sehnte sich nach einem erfrischenden Bad in eiskaltem Wasser. Aber die Landschaft wurde immer dürrer und trockener. Nach endlos erscheinenden Stunden in der sengenden Mittagssonne sackte Henri im Sattel nach hinten gegen Anne. „Miraj!“, rief sie. „Henri ist bewusstlos.“ Miraj fluchte leise vor sich hin. Er stieg von seinem Pferd und zog Henri vorsichtig von Blizzard herunter. In Windeseile hob er mit seinen Händen eine Kuhle im Boden aus. Anne, die ebenfalls vom Pferd gestiegen war, barg Henris Kopf in ihrem Schoß. Er war ganz blass. Als Miraj die Grube fertig ausgehoben hatte, rief er AQUA. Sofort füllte sich das Loch mit Wasser. Miraj nahm zwei Handvoll und schüttete es Henri ins Gesicht. Er benetzte auch Henris Lippen und bettete seine Füße auf einen Vorratsbeutel. Endlich schlug Annes Bruder die Augen auf. „Er kommt zu sich – Glück gehabt. Hier, Henri, trink.“ Miraj hielt ihm die Feldflasche an die Lippen, die er
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