Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Titel: Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Pioch
Vom Netzwerk:
daran. Eines Tages aber gab es einen wichtigen Anlass, der sie dazu brachte, ihre eigene Regel zu brechen. Es war das Jahr, in dem Henri 14 wurde. Mit 14 werden wir Zauberkundigen an der Universität aufgenommen. Das hat den besonderen Grund, dass wir in diesem Alter für Schwarzmagier auffindbar werden, da dann unsere magischen Kräfte ein entscheidendes Stadium erreichen. Gwynda wollte um jeden Preis verhindern, dass ihr Neffe – der bisher einzige Nachkomme ihrer Familie, der noch dazu infrage kam, der Auserwählte zu sein – von den Schwarzmagiern aufgegriffen würde. So brach sie mit unserem Sohn in ihrem Bauch auf, um Henri kurz vor dem entscheidenden Geburtstag zu sich in den Süden und an die Universität zu holen. Sie glaubte, wenn sie allein ritte, sei sie schneller und nicht so leicht aufzuspüren. Sie beging also genau denselben Fehler wie deine Mutter. Sie waren sich wirklich sehr ähnlich.
    Natürlich hatten die Schwarzmagier nur auf eine solche Gelegenheit gewartet. Kaum hatte sie den sicheren Landstrich verlassen, stürmten sie los und erreichten Gwynda, als sie mit Henri auf dem Rückweg war. Als die Schwarzmagier ihr nahe kamen, erspürte Gwynda sie – doch sie war zu weit weg von der Schutzzone. Also versteckte sie Henri, der ja noch nicht ganz 14 und somit für die Schwarzmagier unauffindbar war, und ritt ihnen allein entgegen, um sich zu stellen. In der Stunde ihres Todes sandte sie mir ein Traumbild und übermittelte mir die Nachricht, wo dein Bruder zu finden war. An ihrer statt ritt ich zu der Höhle, in der Gwynda Henri versteckt hatte, und brachte ihn sicher zurück. Seitdem ist Henri für mich mehr ein Sohn oder ein jüngerer Bruder als ein Schüler.“
    Miraj schwieg und wandte das Gesicht ab. Anne legte ihm zaghaft die Hand auf den Arm. „Es tut mir so leid für dich“, sagte sie sanft. Es war seltsam, wie die Schicksale ihrer beider Familien miteinander verwoben waren. Nun begriff sie auch, wie Miraj Henris Launen ertragen konnte. Miraj seufzte. „Es ist nur so ungerecht, dass sie sterben musste, während mir unterwegs nicht ein Haar gekrümmt wurde. An mir und meinen Kräften waren die Schwarzmagier eben nicht interessiert.“ Anne wunderte sich über diese Bemerkung, war aber zu erschüttert, um weiter in ihn zu dringen. „Warum seid ihr bloß wieder auf den Hof gekommen?“, fragte sie stattdessen. „Die Geschichte muss dir, wie schon gesagt, dein Bruder erzählen. Und nun ist es genug für heute. Leg dich schlafen“, sagte Miraj.
     

Kapitel 9: Der Erbe der Schwarzmagier
    Nach dem Gespräch fiel es Anne schwer, zur Ruhe zu kommen. Immer wieder musste sie an ihre Mutter und ihre Tante Gwynda denken, die von den Schwarzmagiern getötet worden waren – genau wie ihr Vater. Wenn ich Zauberkräfte hätte, würde ich sie rächen und bei der Gelegenheit diese Kristallkugel gleich mit vernichten, dachte Anne. Ob Henri deswegen so schlecht gelaunt war, hatte er ebenfalls Rache geschworen? Brannte ihm die Wut auf diese Magier, die ihre halbe Familie getötet hatten, in der Seele? Warum aber behandelte er seine Schwester, das einzig verbliebene Familienmitglied, dann so schlecht? Nein, Anne wurde nicht schlau aus ihm. Sie drehte sich auf die andere Seite und versuchte zu schlafen, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen.
    Nun dachte sie über Miraj nach. Es musste schrecklich sein, eine Vision von dem Menschen, den man liebte, zu erhalten und darin zu sehen, dass dieser starb. Kein Wunder, dass er ihr auf dem Hof so trübsinnig erschienen war. Seine Frau war tot, ebenso das ungeborene Kind. Zwar lag das alles schon mehr als fünf Jahre zurück, aber es sah nicht so aus, als hätte er damit abgeschlossen. Der Traum von ihrer Hochzeit mit Miraj konnte also gar nicht wahr werden. Gut, dass sie ihm nichts davon erzählt hatte. Die Ereignisse auf dem Hof schienen in Miraj alles wieder wachgerüttelt zu haben. „Unser beider Verlust wurde von denselben Händen verursacht“, hatte er gesagt. Ob er jemals versucht hatte, den Tod von Gwynda zu rächen? Da fiel Anne noch etwas anderes ein. Miraj verfügte ebenfalls über magische Kräfte, und da er Henris Lehrer war, mussten sie doch sicher weit stärker sein als dessen Fähigkeiten. Warum hatte er den Tod ihres Vaters nicht verhindern können? Sie musste ihn am nächsten Tag danach fragen.
    Anne wälzte sich noch eine Weile hin und her. Der Wind, das Prasseln des Feuers und vor allem ihre Gedanken ließen sie nicht einschlafen, obwohl sie

Weitere Kostenlose Bücher