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Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Titel: Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Pioch
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bemerkte, die unheimliche Stille. Kein Laut war zu hören. Kein Laut? Nein, Miraj, der bei ihrem Einschlafen Wache gehalten hatte, war nicht da. Neben ihr auf dem Boden lag Henri, die Augen ebenfalls geöffnet. Auch er musste gerade wach geworden sein. Anne war vorhin so schnell eingeschlafen, dass sie sich die Umgebung kaum angesehen hatte. Jetzt bemerkte sie, obwohl es dunkel war, dass es hier in der Nähe keine schützenden Felsen oder Pflanzen gab. Es gab buchstäblich nichts. Die Erkenntnis, wo sie war, traf Anne wie ein Schlag. Sie blickte Henri an und wollte etwas sagen, doch er legte den Finger auf die Lippen. Bemüht, keinen Laut von sich zu geben, stand er auf. Anne tat es ihm gleich.
    Sofort erkannte sie die Szene, die sich ihrem Blick bot: 50 dunkle Gestalten standen um die Geschwister herum und glitten langsam auf sie zu. Henri murmelte INVISIBEL, doch seine Kräfte schienen nicht mehr zu reichen. Sein Schwert war außer Reichweite. Wo war Miraj?
    Die Schwarzmagier schoben sich zwischen die Geschwister. Einer der Umhangträger näherte sich Anne. Sie blickte in sein Gesicht und sah eine hässliche Fratze. Ich muss es versuchen, dachte Anne. Sie konzentrierte sich, sammelte all ihre Kraft zusammen und rief laut INVISIBEL. Ein gleißend heller Blitz tauchte die Umgebung in gelbes Licht. Dann verschwand Annes Körper vor den Augen des Schwarzmagiers und ihres verdutzten Bruders. Sie rannte ein gutes Stück fort, auf der Suche nach einem Versteck. Endlich entdeckte sie einige Schritte entfernt eine kleine Fläche aus kniehohem Steppengras, warf sich hinein und verharrte in dieser Stellung. Zaghaft blickte sie sich um. Niemand war ihr gefolgt. Niemand konnte sie sehen. Sie hatte also tatsächlich Zauberkräfte.
    Aus sicherer Entfernung beobachtete sie, wie Henri von den Schwarzmagiern gefangen genommen wurde. Anne tat es leid, dass sie nicht versucht hatte, ihn ebenfalls unsichtbar zu machen. Aber dann fiel ihr ein, dass sie ihn ohnehin hätten aufspüren können, da Henri ja über 14 war. Die Schwarzmagier packten und fesselten ihren Bruder und zogen ihn mit in die entgegengesetzte Richtung. Anne war außer Stande, etwas zu tun, auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Aber wie hätte sie auch eingreifen können? Plötzlich stürzte Miraj mit hoch erhobenem Schwert herbei. Blut troff davon hinab. Die Schwarzmagier, auf die er zuhielt, stoben in alle Richtungen davon, was wohl hauptsächlich an seinem zu allem entschlossenen Gesichtsausdruck lag. Doch die Gruppe, die Henri bei sich hatte, bewegte sich geschlossen weiter. Eine Gestalt löste sich aus der Formation, stellte sich aufrecht vor Henri und die Magier, die ihn trugen. Einen Moment fürchtete Anne, er würde Miraj angreifen. Stattdessen breitete er die Arme aus, sodass der Umhang im Wind flatterte, und rief mit tiefer Stimme DOMUM. Im nächsten Moment waren alle Magier verschwunden – und Annes Bruder mit ihnen.
    Miraj sackte auf dem Boden zusammen. Anne ging näher an ihn heran und sah, dass ihm Tränen über das Gesicht liefen. Er hatte gesagt, Henri sei wie ein Sohn für ihn, und seine Frau war gestorben, um ihn zu retten. Anne verstand Mirajs Schmerz. Sie hätte ihn gern getröstet und wollte sich schon zu ihm hocken, als ihr einfiel, dass sie noch immer unsichtbar war. Ich muss wieder sichtbar werden, dachte Anne, sonst reitet er davon und ich bin hier draußen für immer verloren. Unglücklicherweise hatte sie keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte.
    Nach einer Weile erhob sich Miraj wieder und pfiff laut. Im nächsten Moment kamen die Pferde angaloppiert. Blizzard blieb bei ihm stehen, doch Animus reckte die Nüstern in den Wind. Dann trabte er los, direkt auf Anne zu. Oh nein, dachte sie. Anne lief zurück zu dem hohen Gras, wo sie sich zuvor verborgen hatte und dachte mit aller Kraft und Konzentration ans Sichtbarwerden. Im nächsten Moment wieherte Animus und stupste sie mit der Nase an. Miraj kam herbeigelaufen. „Anne. Du bist in Sicherheit! Warst du die ganze Zeit hier?“ Anne nickte zaghaft und stand auf. Es hatte also geklappt. „Los, komm! Wir müssen weiterreiten, bevor sie uns auch noch holen“, rief Miraj, pfiff Blizzard herbei und überließ Anne dessen Zügel. Ohne ein weiteres Wort ritten sie los. Dennoch schien es ihr, als wäre Miraj erleichtert, dass zumindest sie noch da war.
     

Kapitel 12: Der Unglückliche
    Schweigend ritten sie weiter, jeder in seine Gedanken vertieft. Anne konnte noch nicht begreifen,

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