Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
schien zu schlafen. Anne blieb noch eine ganze Weile sitzen, während der sie versuchte, sich einen Reim aus Samiras Worten zu machen. Doch schließlich stand sie auf und verließ auf Zehenspitzen den Raum. Sie schloss die Tür hinter sich und ging die Treppe hinab, bis sie wieder in den Saal kam, wo sie mit der Oberin gesprochen hatte. Niemand war hier. Anne fühlte eine nicht zu bändigende Müdigkeit, setzte sich in den Ohrensessel und streckte sich darin aus, so gut es ging. Sie wollte über die Voraussage nachdenken, doch nach nicht einmal fünf Minuten war sie eingeschlafen.
Kapitel 26: Die Mutter
Anne erwachte, als sie jemand an der Schulter berührte und leicht rüttelte. Sie schlug die Augen auf: Jana stand vor ihr. Mirajs Assistentin sah selbst müde aus und irgendetwas lag in ihrem Blick, das Anne nicht einordnen konnte. „Komm mit, Anne. Wir müssen dich nach Hause bringen.“ Erst jetzt stellte Anne fest, dass es im Raum bereits völlig dunkel war. „Wie spät ist es?“ fragte sie. „Schon zwei Uhr nachts“, antwortete Jana. „Warum kommst du jetzt erst?“ wollte Anne wissen. Jana seufzte. „Ich hatte bis eben in der Universität zu tun. Es gab wieder Nachtprüfungen.“ Anne stand aus dem Ohrensessel auf. Sie war noch immer wütend auf den Hohen Rat und das übertrug sie nun auf Jana. „Ach ja? Das ist aber seltsam, weil ich von Professor Einar gehört habe, dass die Nachtprüfungen noch lange nicht begonnen hätten.“
Anne hatte das Gefühl, dass ihr alles zu viel wurde. Der Hohe Rat hatte gelogen und nun tat es auch Jana. War denn kein Grünmagier ehrlich? Sie funkelte Jana an: „Was habt ihr wirklich bis mitten in der Nacht in der Universität zu tun? Sag mir endlich, was es so Wichtiges gibt, dass Miraj so beschäftigt hält.“ Doch Jana blieb hart: „Ich kann es dir nicht sagen. Miraj hat es mir verboten.“ Nun platzte Anne endgültig der Kragen. Dass Jana und Miraj ein Geheimnis hatten, hatte sie schon länger vermutet. Ihr Verdacht schien sich immer mehr zu bestätigen, dass Jana der Grund war, warum Miraj Anne nicht mehr besuchte. Sie schrie Jana an: „Was soll die Geheimniskrämerei noch? Ich weiß doch sowieso längst Bescheid.“ Jana aber ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Was immer du glaubst zu wissen, Anne, es rechtfertigt nicht, dass du in diesem Ton mit mir sprichst. Und erst recht nicht an diesem heiligen Ort. Und jetzt komm – du musst nach Hause.“
Der Ritt zu Silvias Haus verlief schweigend. Anne war immer noch wütend auf Jana wegen der Geheimniskrämerei. Gleichzeitig ärgerte sie sich über sich selbst. Dann hatte Miraj eben etwas mit seiner Assistentin – na und? Wieso traf sie das so? Sie hatte vorhin zu der Oberin gesagt, dass sie ihn liebte. Aber vielleicht hatte sie einfach gemeint, dass sie ihn sehr gern hatte und sich von ihm im Stich gelassen fühlte. Für Jana fand er anscheinend immer Zeit, aber wenn es um Anne ging, versteckte er sich hinter seiner vielen Arbeit.
Als sie endlich Silvias Haus erreichten, war es bereits wieder hell. Mirajs Mutter war die ganze Nacht auf gewesen, sie hatte sich um Anne gesorgt. Jana verlor nicht viele Worte. Sie entschuldigte sich bei Silvia, nickte Anne kurz zu und ritt davon. Silvia sah ihr erstaunt nach. „Was hat sie denn?“ wollte sie von Anne wissen. „Angeblich viel zu tun“, knurrte Anne.
Silvia kochte in der Küche einen Tee und setzte sich dann mit Anne an den Tisch. „Ich kann mir vorstellen, dass du müde bist, aber willst du mir kurz erzählen, wie es war?“, bat Silvia. Anne bemerkte erst jetzt, dass ihr niemand verboten hatte, darüber zu sprechen. Trotzdem gab es Teile, die sie lieber für sich behalten wollte. Schließlich sagte sie: „Ich musste eine Reihe von seltsamen magischen Tests machen, bis sie mich zu der weisen Samira ließen. Wir haben uns eine Weile unterhalten, über meine Träume und so weiter. Und dann hat sie mir eine sehr rätselhafte Vorhersage über die Zukunft gemacht.“ Anne sah Silvia an der Nasenspitze an, dass sie gern mehr gewusst hätte, doch Anne wollte nicht mit ihr darüber reden. Silvia wartete einen Moment, nickte dann sichtlich enttäuscht und fragte: „Habt ihr auch über deine Zukunft gesprochen? Wirst du an der Universität studieren?“
„Nein, das wurde nicht erwähnt. Die weise Samira sagte nur, dass ich geduldig sein soll und sich die Dinge schon fügen würden.“ Silvia runzelte die Stirn. „Das ist aber keine sehr klare Aussage. Ich
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