Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
alles anders als bei Annes erster Ankunft hier. Schon im ersten Ring hatte sich allerhand Volk versammelt, das auf sie zulief und sie bejubelte. Die Menschen griffen mit ihren Händen nach den tapferen Kämpfern und wünschten Anne alles Gute. Henri dagegen warfen sie finstere Blicke zu, sodass er bald den Kopf senkte. Ein Mann spuckte ihm sogar mitten ins Gesicht. Anne sah es und erinnerte sich, wie beliebt Henri vor diesen Umständen beim roten Volk gewesen war. Erschreckend, wie schnell sich die Dinge ändern konnten.
Je weiter sie ins Innere der Schutzzone drangen, desto aufgeregter jubelten die Menschen Anne zu. Sie war es nicht gewohnt, dass sich die Aufmerksamkeit derart auf sie konzentrierte, es war ihr eher unangenehm und sie konnte sich auch nicht wirklich einen Reim darauf machen. „Sieht so aus, als hätte dein Einsatz in dieser Mission und dein Verhalten auf der Hochzeit für ziemlichen Wirbel gesorgt“, kommentierte Miraj. Anne nickte nur. Wenn sich doch nur ein Loch im Boden auftun würde, in dem sie versinken und dann geradewegs zu Silvias Haus zurückkehren könnte. Sie war unendlich müde von dem Zauberduell und all den anderen aufregenden Ereignissen.
Dennoch war ihr klar, dass sie erst einmal zum Hohen Rat reiten mussten, um Bericht zu erstatten. Auf dem großen Platz vor der Universität erreichte der Wirbel um Anne dann seinen Höhepunkt. Die Menschen und Magier skandierten ihren Namen – hier musste sich die Nachricht von ihrem Sieg über Henri wie ein Lauffeuer verbreitet haben.
Auch der Hohe Rat machte keine Anstalten, Anne vor die Tür zu setzen, als sie den Raum betrat. Die ehrwürdigen Herren waren nur zu zweit, offensichtlich hatte Edward sich noch nicht von dem Kronleuchter-Unfall erholt. Raindor eröffnete die Rede: „Miraj, es kursieren Gerüchte, dass Henri und seine Schwester ein Zauberduell ausgetragen haben. Ist das die Wahrheit?“ Seine Stimme zitterte ein wenig bei den Worten und sein Blick huschte immer wieder nervös zu Anne hinüber. „Das ist richtig, ehrwürdiger Raindor“, bestätigte Miraj. „Anne hat Henri besiegt und wir haben ihn mitgebracht. Er wird draußen von den Menschen des roten Volkes bewacht.“ Marzian zuckte bei den Worten „rotes Volk“ zusammen. „Jamiro“, rief er und zu Annes Überraschung betrat ihr früherer Verbündeter den Raum und zwinkerte ihr zu. Im Vorzimmer hatte sie ihn gar nicht bemerkt. Allerdings hatte sie überhaupt Mühe, ihre Augen offen zu halten. „Ehrwürdige Herren?“, fragte Jamiro ergeben. „Veranlasse den Hausmeister, Henri hereinzubringen und in das Universitätsverlies zu schaffen. Ihm droht eine Anklage wegen Hochverrats.“ Jamiro schien die Nachricht enorm zu freuen. „Wie Ihr wünscht“, sagte er vergnügt und eilte hinaus.
Wieder einmal sprang Miraj für seinen früheren Schüler in die Bresche: „Ehrwürdige Herren, Ihr solltet nicht zu harsch urteilen. Henri hat uns freiwillig begleitet. Und vor allem kann er durch seine Verbindung zu den Schwarzmagiern für uns von Vorteil sein. Er kennt ihre geheimen Pläne und nach allem, was wir gehört haben, steht ein Angriff bevor.“ Raindor runzelte die Stirn, doch Marzian sagte schnell und in scharfem Tonfall: „Wir werden sicherlich alle Informationen aus ihm herausbringen, die uns von Nutzen sein können. Doch er wird seine gerechte Strafe erhalten, daran werdet Ihr nichts ändern.“ Miraj schwieg. Hier war im Moment nichts auszurichten.
Nun wandten sich die ehrwürdigen Herren an Anne. Raindor sagte freundlich und beinahe feierlich: „Anne, Tochter der Isadora, wie es aussieht verfügst du doch über magische Kräfte. Wir möchten dich daher bitten, in der nächsten Woche zur Aufnahmeprüfung zu erscheinen. Wenn du diese bestehst, werden wir dir gestatten, dich an der Universität zum Studium der Künste und der fortgeschrittenen Magie einzuschreiben.“ Anne lächelte. „Das werde ich“, sagte sie. Einen Augenblick lang glaubte sie, Raindor wolle noch etwas sagen, doch Marzian fiel ihm ins Wort. „Kommen wir zu einem anderen Thema.“ Anne hätte viel dafür gegeben, in die Köpfe der beiden alten Herren blicken zu können, doch sie war viel zu geschafft für derartige Versuche.
„Während Eurer Abwesenheit haben wir die Bürger der Stadt Viriditas zu einer Sache befragt. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, Miraj, sind die Grünmagier sehr erschrocken über den plötzlichen Angriff auf der geplanten Hochzeitsfeier. Die Urangst vor dem roten Volk hat
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