Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
einen neuen Höhepunkt erreicht.“ Miraj nickte mit unglücklichem Gesichtsausdruck und warf Anne einen vielsagenden Blick zu – er hatte es ja geahnt. „Daher“, fuhr Marzian fort, „haben wir vorübergehend alle Studenten des roten Volkes von der Universität suspendiert. In den nächsten Tagen werden die Kontrollen am dritten Ring verstärkt und es wird dann keinem Angehörigen des roten Volkes mehr gestattet sein, die Stadt ohne Ausnahmegenehmigung zu betreten.“ Miraj sah erschrocken auf. „Es ist ja nur für eine Weile“, fügte Raindor schnell hinzu, doch Anne las aus Mirajs Blick, dass er es besser wusste.
„Natürlich betrifft dies nicht Euch“, beeilte sich Marzian zu sagen, „als Lehrender der Universität werdet ihr die Stadt jederzeit betreten können. Allerdings“, er schluckte kräftig, bevor er weitersprach, „müssen wir leider die andere Sondergenehmigung bezüglich Eures Wohnsitzes aufheben. Nicht, weil wir Euch nicht trauen, aber wir können nicht ausschließen, dass nicht etwa Euer Personal geheime Verbindungen zu den roten Rebellen pflegt. Und wie sollen sich die Bürger der Stadt sicher fühlen, wenn wir nicht rigoros sind?“ Miraj sah aus, als hätte man ihm eine kräftige Ohrfeige verpasst. „Heißt das, ich muss mein Haus räumen?“, fragte er, nicht ohne Groll in der Stimme. Raindor ließ sich vernehmen: „Natürlich gewähren wir Euch alle Zeit, die Ihr für Euren Umzug benötigt.“
Nach den deutlichen Worten gab es für Miraj nicht mehr viel zu reden. Bald verließen sie die ehrwürdigen Herren. Miraj sprach ein paar Worte mit den Männern des roten Volkes, die sie auf ihrer Reise begleitet hatten. Anne beobachtete sie aus der Ferne, während sie Blizzard und Animus tätschelte, die beide ebenfalls einen erschöpften Eindruck machten. Aber aus der Reaktion der Männer, die entrüstete Gesichter machten, entnahm sie, dass Miraj ihnen die Quintessenz aus dem Gespräch mit den ehrwürdigen Herren weitergab. Bald stiegen alle auf ihre Pferde und ritten aus der Stadt hinaus. Miraj kam zurück.
„Wir sollten als Erstes zu meinem Haus reiten und mit Gisalen und den anderen Dienstboten beratschlagen, wie wir vorgehen. Morgen, sobald du dich ausgeruht hast, kannst du gerne zu meiner Mutter vorreiten und ihr eröffnen, dass ihr Sohn nach Hause kommt.“ Miraj sagte die Worte nicht ohne eine gewisse Ironie. Anne sah, dass ihn das Misstrauen, welches der Hohe Rat ihm plötzlich entgegenbrachte, schwer getroffen hatte. Schweigend ritten sie zu Mirajs Haus. Anne dachte, dass sie noch vor wenigen Tagen geglaubt hatte, sie würde dort bald als seine Frau gemeinsam mit ihm leben.
Als sie das Haus erreicht hatten, kamen diesmal nicht die Dienstboten herausgelaufen. Niemand nahm ihnen die Pferde ab und erst als Miraj seinen Schlüssel ins Schloss steckte, öffnete Gisalen vorsichtig die Tür. „Ihr seid es, Herr.“ Sie sah erleichtert aus und zog Anne in ihre kräftigen Arme. Miraj runzelte die Stirn. „Was ist geschehen?“ Gisalen seufzte und bat sie in den Salon. Sie bot noch nicht einmal etwas zu essen und zu trinken an, was für sie sehr ungewöhnlich war. Anne knurrte der Magen und sie hatte sich so auf eine Erfrischung gefreut. Gisalen berichtete: „In den letzten Tagen gab es immer wieder Gruppen von Grünmagiern, die sich vor unserem Haus trafen und uns lautstark als Verbündete der Rebellen bezeichneten. Der Stallbursche und die Köchin haben daraufhin bereits die Flucht ergriffen und sind in den roten Ring gezogen. Auch ein paar andere sitzen auf gepackten Koffern und haben nur noch auf Eure Rückkehr gewartet.“ Miraj nickte ernst. „In der Tat hat der Hohe Rat mir soeben eröffnet, dass wir das Haus räumen müssen.“ Gisalen seufzte. „Dann ist es also wahr.“
Miraj ging selbst hinaus, um die Pferde zu versorgen. Derweil stellte sich Gisalen an den Herd, um der hungrigen Anne wenigstens eine Kleinigkeit aufzutischen. Bald kam sie mit Rührei zurück. Auch Miraj war ins Haus zurückgekehrt. Schweigend setzten sie sich zu dritt an den Tisch und aßen. Dann ergriff Miraj das Wort: „Es tut mir leid, Anne, dass du nun in unsere Probleme hineingezogen wirst. Für dich ist heute eigentlich ein Tag zum Feiern.“ Dann wandte er sich an Gisalen: „Anne ist nämlich zur Aufnahmeprüfung für die Universität zugelassen worden.“ Gisalens Gesicht hellte sich ein wenig auf: „Ja, ich weiß. In der Stadt spricht man von nichts anderem mehr. Man sagt sogar, Anne sei die
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