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Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Titel: Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Pioch
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sodass er nicht mehr atmen konnte.
    Henri war in die Ecke gedrängt. Annes plötzliche Welle von Angriffen schien ihn so überrascht zu haben, dass ihm vor Schreck kein Zauber mehr einfiel. Eine Weile rang er mit dem Wasser und seinen Fesseln, doch bald wurde er ganz still. Er schien am Ende seiner Kräfte zu sein und der eiserne Wille, mit der er seiner Schwester hatte schaden wollen, schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Anne zitterte vor Anstrengung, war aber zufrieden. Das hatte Henri nun von seiner Arroganz! „Halt. Das Turnier ist beendet!“, rief schließlich einer seiner Männer und die beiden Wächter liefen zu ihm, um ihn aus dem Wasser zu fischen. Miraj half ihnen, Henri zu entfesseln und zu entknebeln; dabei merkten sie, dass er ohnmächtig war. Miraj verpasste ihm ein paar kräftige Schläge auf die Wangen, wovon er schließlich wieder aufwachte.
    Kaum, dass er atmen konnte, sagte Henri mit gebrechlicher Stimme, die wohl furchteinflößend klingen sollte: „Das Turnier ist noch nicht zu Ende“, doch Miraj widersprach. „Du warst ohnmächtig und wir haben das Ende des Kampfes rechtmäßig ausgerufen. Es ist vorbei und du hast verloren.“ Henri sah seine Wachen an, damit sie Miraj widersprachen, doch der eine von ihnen sagte: „Herr, er hat recht. Nach den allgemeingültigen Regeln habt Ihr den Kampf verloren, denn Ihr wurdet außer Gefecht gesetzt. Ihr müsst nun die Forderungen der Gegenpartei erfüllen.“
    Henri schnaubte, spuckte auf den Boden und rang um Fassung. Dann sah er Anne ins Gesicht. „Du hast also tatsächlich gewonnen, Schwester. Töte mich. Ich habe es verdient.“ Anne war tatsächlich wütend, doch ihren eigenen Bruder umbringen? Nein, das konnte sie nicht. Sie schüttelte den Kopf und sagte: „Du sollst leben.“ Dann trat sie zurück. Henri sah sie fassungslos an und Miraj legte ihr den Arm auf die Schulter. „Gut gemacht“, flüsterte er.
    Derweil verkündeten die Wachen das Ende des Kampfes und die Männer beider Parteien traten wieder aus den Zelten. Als verkündet wurde, dass Anne gesiegt hatte, machten beide Seiten erstaunte Gesichter. Dann jubelten die einen – und die anderen machten verärgerte Gesichter. Aracio rief: „Sollen wir sie angreifen, Herr?“ Die Jubelrufe verstummten. Aracio und Henri tauschten einen Blick. Schließlich sagte Henri. „Nein. Ich habe mein Versprechen gegeben und ihnen darf nichts geschehen.“ Er klang müde und resigniert. Auf einmal hatte Anne fast Mitleid mit ihm. Er wollte dich töten, versuchte sie sich zu sagen. Doch er war immer noch ihr Bruder.
    Miraj sprach nun ihre Forderung aus, die ihnen als rechtmäßigen Siegern zustanden: „Henri, du wirst uns zum Hohen Rat begleiten und den altehrwürdigen Herren alles sagen, was du über die Schwarzmagier und einen bevorstehenden Angriff weißt. Ihr anderen werdet euch in alle Winde zerstreuen und mit den Schwarzmagiern nicht in Kontakt treten, bis wir sicher in der Schutzzone angelangt sind. Und niemand krümmt uns unterwegs ein Haar.“ Damit war es besiegelt. Anne war überrascht, dass sich die Gegner darauf einließen, doch anscheinend gab es selbst unter den Abtrünnigen so etwas wie einen Ehrenkodex.
    Anne war völlig geschafft von dem Kampf und hätte sich am liebsten ausgeruht, doch Miraj drängte zum Aufbruch. „Versprechen hin, Versprechen her – Verrätern kann man nicht trauen“, meinte er. So setzten sich die Männer in Bewegung. Henri wurde gefesselt auf ein Pferd gesetzt, das von vier Reitern umzingelt wurde. „Glaubst du, er wird versuchen, sich unterwegs zu befreien?“, fragte Anne. Miraj erwiderte: „Möglich ist es. Aber ich schätze, nachdem Henri nun versagt hat, wird ihm daran gelegen sein, die Schutzzone zu erreichen. Denn ansonsten werden ihm die Schwarzmagier zusetzen – und da wird er doch wohl das kleinere Übel wählen.“
    Miraj klang traurig. Anne verstand nicht so recht warum, denn sie war nun in ausgelassener Stimmung. Ob ihm immer noch zusetzte, was aus seinem Schützling geworden war? Sie hätte ihn gerne gefragt, wie er nun über sie beide dachte, doch in dieser Stimmung war er nicht ansprechbar, das kannte sie schon von ihm.
    Sie ritten schweigend und zügig voran und legten erst am Abend eine Pause ein. Anne lag eine ganze Weile wach und starrte in den Himmel. Schließlich aber – als hätte etwas sie gerufen – ging sie zu ihrem Bruder. Seine vier Wächter wollten sie nicht durchlassen, aber Anne weigerte sich zu gehen, ohne mit ihm

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