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Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)

Titel: Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Pioch
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gesprochen zu haben. Schließlich gaben sie nach, blieben aber in Hörweite. Henri lag noch wach.
    „Kommst du, um deinen Sieg auszukosten?“, fragte er Anne in vorwurfsvollem Ton. „Nein“, antwortete sie, „ich komme, um die Wahrheit zu erfahren. Henri, hast du zu irgendeinem Zeitpunkt geahnt, dass ich Kräfte habe? Oder warum sonst hasst du mich so?“ Henri sah sie an. Er antwortete nicht gleich. Doch schließlich brach es aus ihm heraus. „Ich habe schon an der Art, wie Mutter dich behandelte, stets gemerkt, dass sie Großes von dir erwartet. Viel Größeres als von mir. Aber ich wusste nicht, was es war. Bis zu jenem Tag.“ Er starrte finster vor sich hin und fuhr dann fort: „Da kam Tante Gwynda, um mich abzuholen und nach Scientia zu bringen. Sie erklärte mir, wer Mutter war und was es mit der Prophezeiung auf sich hatte. Ich war stolz und freute mich, dass sie nur kam, um MICH zu holen, und dachte, ich würde es Mutter, auch wenn sie tot war, schon beweisen, dass ich das bessere Kind war. Doch dann sagte Tante Gwynda, dass sie dich ebenfalls in ein paar Jahren an die Universität holen würde.“ Henri sprach nicht weiter. Er sah Anne an, beinahe emotionslos und in sein Schicksal ergeben.
    „Ich dachte, einmal wäre ich dir überlegen. Aber in Wirklichkeit warst du immer besser als ich. Mutter hatte dich lieber, du konntest besser mit den Tieren auf dem Hof umgehen und selbst Vater lobte deine Besonnenheit. Einmal wollte ich im Mittelpunkt stehen. Und das habe ich auch geschafft. Vater hat nie erfahren, dass du Kräfte hast. In seinen Augen war ich, sein Sohn, immer das gebildete und beachtenswerte Kind. So dachte ich zumindest. Bis ich erfahren habe, dass er dich Miraj überantwortet hat, falls ihm etwas geschieht. Selbst in so einer Situation hatte er nur Augen für das Wohl seiner Tochter. Ich war ihm egal.“
    Anne war bestürzt über diese Worte. „Das ist doch nicht wahr. Vater war stolz auf dich. Er sprach ständig von dir und wie sehr du Mutter ähnelst. Und er hat für dich keine Vorkehrungen getroffen, weil er dachte, du kämest allein zurecht.“ Doch ihre Worte schienen von Henri abzuprallen wie von einer Mauer. Anne begriff, dass er diese Gedanken seit Jahren gehabt hatte und sie seinen Hass geschürt hatten. Sie verstand auch, dass dieser Hass auf sie nun seinen Höhepunkt erreicht hatte. Sie hatte ihn in der einzigen Disziplin geschlagen, in der er sich überlegen gefühlt hatte.
    Als Anne zu ihrem Schlafplatz zurückkehrte, fühlte sie sich um Jahre gealtert. Sie fand Miraj wach und sagte zu ihm, noch bevor sie unter ihre Decke gekrochen war: „Jetzt verstehe ich, warum die Grünmagier Gefühle meiden. Sie haben Angst, dass sie von ihnen Besitz ergreifen wie von Henri und sie dann daran hindern, das Richtige zu tun.“ Anne erzählte ihm, was gerade geschehen war. Miraj nickte: „Das hast du wie immer scharfsinnig erkannt, Anne. Und doch glaube ich, dass die Grünmagier falsch liegen. Schau dich an. Du warst wütend auf Henri und zu recht. Er hat dich provoziert, deine Wut angestachelt. Und doch warst du gerade bei ihm und hast versucht, ihn zu trösten. Dein Mitleid und deine Liebe haben dich davon abgehalten, ihn zu töten. Gefühle können auch stark machen. Und ich glaube, dass sie auch dazu beigetragen haben, dass du heute so phänomenal gezaubert hast.“
    Miraj lächelte sie vielsagend an und sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Plötzlich war ihr klar, dass es falsch wäre, ihn zu fragen, wo sie nun standen. Er schätzte sie, aber er war noch nicht über Gwynda hinweg. Sie musste ihm die Zeit geben, die er brauchte. Und sicher würde irgendwann alles gut werden. Sie war noch jung und sie hatte Zeit.
    Nach wenigen Stunden Ruhe machten sie sich wieder auf den Weg. Sie wollten so schnell wie möglich Viriditas erreichen, um das grüne Volk vor einem möglichen Angriff zu warnen und Henri auszuliefern. Anne musste während des gesamten Rückwegs an die Worte ihres Bruders denken. All die Jahre hatte sie geglaubt, Henri halte sie für unfähig und missachtete sie deshalb. Dabei waren es die ganze Zeit nur Eifersucht auf die Liebe der Eltern und Neid auf ihre Fähigkeiten gewesen, die ihn dazu brachten, sich ihr gegenüber so unversöhnlich zu verhalten. Sie erinnerte sich auch an die Worte der weisen Samira. War dies der Kampf gewesen, von dem sie gesprochen hatte?
     

Kapitel 38: Die Auserwählte
    Als sie nach ihrem strengen Ritt endlich die Schutzzone erreichten, war

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