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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
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hoch, und der Käse wäre gegessen gewesen!«
     
    Seine Wut steigerte sich: »Aber unser feines Königstöchterlein hat wahrscheinlich so dünne Arme, dass es sich am Seil gar nicht festhalten kann, weil sie das Wort Arbeit noch nicht mal buchstabieren kann, die verzogene Göre! Um elf Uhr morgens aufstehen, dann vier Stunden lang Haare kämmen, dann in den Schlossgarten gehen und Ball hochwerfen!« Immer lauter brüllte er von der Bühne. Den entsetzten Eltern zum Trotz fuhr er fort: »Das ist ein Tagesablauf. Danach ist unser verhätscheltes Prinzesserl wahrscheinlich erschöpft und müde und muss sich hinlegen. Weil essen wird sie ja eh nichts, dieses magersüchtige Zwitscherl!«
     
    Ein ängstlich weinendes Kind aus der ersten Reihe lief in die Arme seiner Mutter. Der Erzähler tobte weiter: »Und der fette König hockt in seinen Gemächern, tut mit den Weibern umeinander und versäuft die Steuergelder von den armen Bauern, die froh wären, wenn sie einmal im Monat ein Stück Wurst zum Brot hätten!«
     
    Voller Wut blätterte er vor zum Inhaltsverzeichnis. »Wer hat denn das geschrieben? Ach, die zwei, das hab ich mir gedacht.« Er schlug das Buch zu und fuhr brüllend fort: »Ja, und da ist dann noch irgend so ein depperter Frosch, der holt ihr den Ball raus, der darf dann bei ihr wohnen. Sie ekelt sich natürlich vor ihm, irgendwann wirft sie ihn an die Wand oder gibt ihm einen Kuss, oder was weiß ich, aus dem Frosch wird, Simsalabim, ein Prinz, und schon haben wir es wieder beinander. Wie es halt so ist im Märchen, ist doch lächerlich!«
     
    Mit diesen Worten stand er wütend auf, knallte das Buch auf den Boden und verschwand in der Menge!
     
    Ein durch und durch bayerischer Sozialist, dachte ich mir noch, als plötzlich Puschkin laut rief: »Auf, auf, Gefährten! Lasst uns den Zyklopen blenden gehen, auf dass wir uns im Fell der Schafe auf den Heimweg machen können!«
     
    Um die umherstehende Bevölkerung nicht noch mehr zu verunsichern, drängten wir uns aus dem Familienfest hinaus, ohne zu wissen, was Puschkin eigentlich meinte.
     

Messen im Vergleich
     
    Ich fand später heraus, dass die Vergleiche mit der griechischen Mythologie bei Puschkin immer dann auftauchten, wenn er einmal etwas länger als gewöhnlich weg war vom Viktualienmarkt. Das war dann für ihn immer gleich eine Irrfahrt. Und wir mussten raten, was er wohl gemeint haben könnte mit seinem Vergleich. Beim Laufen sind wir dann draufgekommen. Unter Zyklop verstand Puschkin den Fernsehturm auf dem Olympiagelände.
     
    Mir wurde klar: Das Olympiagelände ist auch nicht schlecht, vielleicht finden wir da eine Anstellung für den Elmar. Als Stadiongärtner. In dem verwaisten Stadion Rasen mähen. Immer nah am Geschehen, auch wenn nichts los ist. Wäre nicht schlecht. Oder Elmar als Bademeister in der Schwimmhalle. Bevor wir intensiver planen konnten, habe ich im Klinikum angerufen und erfahren, dass bei ihm auch noch leichte Lähmungserscheinungen in der linken Schulter festgestellt worden waren. Wahrscheinlich hat ihn so ein junger dynamischer Schlüsselbeinspezialist untersucht.
     
    Aber gut. Jetzt waren wir schon mal da, auf dem Olympiagelände. Irgendwas ist dort immer los. Als wir ankamen, fand gerade eine Esoterik-Messe statt, die wir sogleich besuchten. Vielleicht wäre da was für den Elmar dabei, dachte ich mir. Eine spirituell-kosmische Bewusstseinserweiterung kann ihm auch nicht schaden.
     
    Überall lagen Schachteln, Schnüre, Kugeln. Placebo war begeistert. Er ist nur noch als McGyver durchmarschiert. Leider nicht lange, denn es wurde plötzlich laut. Puschkin hatte den Herrn am Informationsstand aufs Wüsteste beschimpft. Manchmal wird er grundlos ausfallend: »Wie Sie schon dastehen, wie eine vollgeschissene Socke. Wer will da noch Informationen von Ihnen, so wie Sie dastehen. Da zeigt ja eine ausgewickelte Mumie mehr Haltung. Das reicht ja noch nicht mal zum Nachtpförtner im Krematorium Ostfriedhof. Wenn Sie mich fragen, hat man Sie von Anfang an mit der Nachgeburt verwechselt!« Dabei sah er ihn lange und strafend an, wandte sich um und meinte: »So viel von meiner Seite!«
     
    Im Vorbeigehen grummelte er mir noch ins Ohr: »Manchmal bin ich taktlos glücklich!«
     
    Eine Delegation von Ordnungshütern empfahl uns daraufhin, das Gelände doch besser von draußen zu besichtigen. »Zu wenig Anerkennung in der Kindheit, da wird man so was«, murmelte Puschkin noch beim Rausgehen.
     
    Nach einem Moment der

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