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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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wohin du gehst. Nicht Party, Kino, Theater, Discothek oder so etwas, nein, ganz einfach: Wohin du trittst, meine ich.
    Im Alter sind die Füße langsamer, das Hirn auch. Es kann passieren, dass du in Gedanken versunken dahinschlurfst und - rrrumms - liegst du auf der Schnauze. Im vorliegenden Fall auf dem Rücken, wie
ein Maikäfer. Streckst alle Viere in die Luft, nicht imstande, dich zu erheben und so zu tun, als sei nichts geschehen. Das ist mir passiert! Wäre ja nicht so schlimm, die blauen Flecke vergehen wieder, und die gezerrten Muskeln werden’s irgendwann auch wieder tun. Aber der Fleck auf der Seele bleibt. Ausgerechnet vor einem Mode- und Miedergeschäft, vollbesetzt mit kauf- und klatschbereiten Damen der Grünwalder Society, hat es mich erwischt. Eine nicht ganz sauber verlegte Fliese im ansonsten sehr künstlerisch gestalteten Boden des »Kurzenhofes« wurde mir zum Verhängnis. Da lag ich nun, gestolperter und gestürzter Kino- und Fernsehheld, der verzweifelt versuchte, auf die Beine zu kommen, unter den schreckstarren Augen der Damen im Mieder- und Modegeschäft.
    Die Schreckstarre dauerte nicht lange. Wie auf Kommando stürmten die Damen aus dem Laden, dem Gestrauchelten auf die Beine zu helfen, dem Armen die teuer beringten Hände entgegenzustrecken, ihn aus dem Straßenstaub zu ziehen. Wirklich demütigend waren die zweifellos gut gemeinten Kommentare.
    »Oh Gott, wie schlimm! Haben Sie sich wehgetan?«
    »Können Sie allein nach Hause gehen?«

    »Ihre Frau wird einen schönen Schrecken bekommen!«
    »Sollen wir einen Krankenwagen rufen?«
    »Brauchen Sie ein Glas Wasser?«
    »Ist Ihnen schlecht geworden?«
    »Soll mein Chauffeur Sie heimfahren?«
    »Ach ja, mein Mann fällt auch manchmal um...!«
    Endlich stand ich wieder - und wollte eigentlich nur noch im Boden versinken. Die »Über-Tisch-und Bänke-Springzeit« war vorbei, runter mit der Nase, die Augen auf den Boden gerichtet, damit du siehst, wo du hinfällst, alter Mann.
    In schlaflosen Nächten drehten sich meine Gedanken ausschließlich um die mutmaßlichen Bemerkungen der Damen nach meinem unrühmlichen Abgang. Ich konnte sie hören:
    »Er ist halt auch nicht mehr der Jüngste!«
    »Die Zeit bleibt auch für Stars nicht stehen...!«
    »Ich treffe ihn oft im Supermarkt, beim Einkaufen, da macht er einen ganz rüstigen Eindruck...! Ein netter alter Herr...!«
    »Auf der Speisekarte im Forsthaus steht er schon mit seiner eigenen Suppe...!«
    »Jetzt geht er auch schon am Stock...!«
    »Als Kind durfte ich immer nur seine Fernsehsendung sehen...!«

    »Meine Enkel mögen seine Wallace Filme...!«
    »In seinem letzten Film war er sogar Papst...!«
    »Weiße Haare hat er ja schon lang...!«
    Richtig, genetisch bedingt. Meine Mutter war mit vierzig schneeweiß. Irgendwann wurde der Schimmelwuchs zur »Trademark«. Eitelkeit war schon auch im Spiel. Die schönen Damen, die mich laut Drehbuch zu lieben hatten, manchmal nicht zu knapp, vertrauten sich einem grau mellierten, glücklich verheirateten Ehemann lieber an als einem schwarzgelockten Ladykiller.
    Im Vertrag mit Constantin Film stand unter Fach: »Männlicher Sympathieträger« - Okay. Nur, verdammt noch mal, wie macht man das? Eine Verpflichtung, der nachzukommen nicht leicht war. Schon wegen des Ermessensspielraums. Wie weit geht der Einsatz eines »männlichen Sympathieträgers«? Außerdem, in diesem Fach scheint der Alterungsprozess früher einzusetzen als in allen anderen. Zwar hast du die gewaltige Schutzmacht der Frauen hinter dir, aber gegen dich den nicht zu unterschätzenden Neid deiner Geschlechtsgenossen.
    »So stark, wie der tut, ist er bestimmt nicht. Dem würde ich gern mal zeigen, was’ne Harke ist! Da sieht er dann ziemlich alt aus!«
    Das war dann wohl auch so.

    Da war ich einmal auf einem Postamt. Ziemlich lange Schlange. Angestaut, weil ein Kunde sich mit der Schalterbeamtin verhakt hat. Da ging’s richtig zur Sache, aber leider nicht mehr vorwärts. Der Gedankenaustausch zwischen Schalterbeamtin und Kunde steigerte sich seitens des Kunden zu interessanten Verbalinjurien.
    »Du Arschloch wolle nicht verstehen meine gutte Deutsch. Du nix wolle Ausländer in deine Land - du blöde Kuh nix wolle geben meine Geld...«
    Die Beamtin hatte alle Werte auf Null geschaltet. Wie erstarrt stand sie hinter ihrem Schalter und hörte sich das Gebrüll des vermutlich östlich der Oder-Neiße geborenen Kunden an. Am Schalter daneben zeigte ihr männlicher Kollege nicht das

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