Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
nahe gelegenes Entbindungsheim. Hübsch an einem Hang an der Heidelberger Bergstraße gelegen, führte der Weg dorthin über eine steil aufwärts führende Straße, die wir halbstarken Jungs in der Gegend im Winter als nicht ungefährliche Rodelbahn benutzten. Ein Schild, gleich am Portal zum Entbindungsheim, verbot das ausdrücklich, wegen kreuzender Autos am Ende der Zufahrt, was den Reiz an der Schussfahrt auf dem Bauch noch erhöhte.
Größere Sorgen machte mir da ein weit wichtigeres Problem. Für die Zeit der stationären Schwangerschaft meiner Mutter litt ich unter den unterentwickelten Kochkünsten unserer Hausangestellten, damals Dienstmädchen genannt. Vermutlich entstand
da mein ausgeprägter Wunsch nach Unabhängigkeit. Ich fing an zu kochen. Zunächst Bratkartoffeln und Salat. Im Lauf der Zeit geriet meine Kocherei zu respektabler Fertigkeit, jüngst, im Alter, veredelt durch unseren Freund und Meister Alfons Schuhbeck.
Aber ich schweife ab. Zurück zur harten Wirklichkeit, zurück zur Pleite des Bauunternehmens.
»Kümmere du dich um deine Filme und verdien’ das Geld, ich bleib hier und vertrete dich vor Gericht und auf der Baustelle!«
Gundel übernahm das Regiment, wurde zu »meiner Regierung« und managte den unvermeidlichen Untergang der Firma.
»Dabei wurde ich zum perfekten Polier«, sagte sie.
Je mehr sie ihre weibliche Intuition einsetzte, in nerviger Beharrlichkeit »ihre Frau stellte«, desto mehr respektierten sie die Bauherren, ließen uns Luft zum Atmen, wurden kompromissbereit. Gerettet aber hat uns ein Bekannter.
»Ich kann nicht zusehen, wie man euch das schöne Haus wegnimmt und ihr ausziehen müsst!«
Als Vorstandsmitglied einer großen Bank hatte er die rettende Idee.
»Überlass uns alle noch freien Grundstücke zum Verkauf an die Interessenten. Die Gelder fließen nicht mehr in deine Firma, sondern direkt zu uns. Wir
übernehmen die Gesamtabwicklung. Damit verhindern wir eine Kündigung der Kredite. Deine Firma kommt um die Zwangsversteigerung herum, die eure Verpflichtungen bei Weitem nicht decken würde.«
Das war’s! Halleluja! Eine Unterstützung aus der eine wundervolle Freundschaft wurde. Danke!
Die Geier kreisten vergeblich über unseren Köpfen. Radikal änderte sich unser Leben über Nacht. Meine Regierung entschloss sich zum Äußersten: Sie ergriff die Initiative und veranlasste die »Amputation des zweiten Beines«, die Liquidierung des Unternehmens, das so erfolgreich begonnen hatte, gedacht als Alterssicherung jenseits der unsicheren Schauspielerei. Wir waren in einen Strudel geraten, der uns mit unwiderstehlicher Gewalt in den Abgrund zu reißen drohte.
Was tun? Konkurs anmelden, oder gar den Offenbarungseid leisten, mit der Konsequenz, in der Öffentlichkeit am Pranger zu stehen?
Geht nicht! Also Augen zu und durch! Freundschaft vergessen, harter Schnitt, Lehrgeld zahlen. Und sich so wenig wie möglich anmerken lassen. Nur wenige wussten davon - und hielten dicht. So Hannes Obermaier, der gefürchtete »Hunter«, erster deutscher Klatschkolumnist der Münchner
Abendzeitung. Wenn er berichtet hätte, wie es um den »Filmstar« stand, vermutlich hätte keiner mehr dem »armen Schwein« ein faires Angebot unterbreitet.
Gundel stand »ihre Frau«. Nachdem die »Fuchsberger Siedlung« in der Münchner Eichenau stand, konnte ihr niemand mehr ein X für ein U vormachen. Auch ich nicht. Diese bittere Erfahrung brachte einige lebenswichtige Erkenntnisse:
a. Was du machst, mach es allein!
b. Mach nur Dinge, von denen du was verstehst!
c. Hör auf den Rat deiner Frau! Mach sie zur letzten Instanz.
d. Wenn du mit c) Schwierigkeiten hast, such dir eine neue Frau.
e. Finde den Anwalt, der dich vor der Unterschrift aufklärt, was passieren kann, wenn du mal unterschrieben hast.
f. Mach auf keinen Fall den Fehler, aufzugeben, großes Klagegezeter anzustimmen, Trost im Alkohol oder anderen Drogen zu suchen, auf Hilfe von außen zu warten, die Schuld bei anderen zu suchen. Du bist für dich selbst verantwortlich. Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Also sieh ein, dass du Mist gebaut, nicht aufgepasst, dich selbst überschätzt hast. Denk
intensiv darüber nach, wer dir zu was geraten und wer dir von was abgeraten hat. Sondere die Spreu vom Weizen in deinen Beziehungen, mach »tabula rasa«.
Vielleicht gehöre ich zu den »Verdrängern?« Soll heißen: Ich zerfleische mich nicht selbst mit meinen Problemen. Ich verdränge sie mit allen möglichen
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