Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Erklärungen, immer mit dem Ziel, mich mit der Situation abzufinden. »Shit happens« ist ein guter Spruch und hilft, dass Ungemach dich nicht lahmlegt, deine Kraft zum Neubeginn nicht schmälert oder verhindert. Ein kluger Jockey beginnt ein Hindernisrennen nicht schon am Start mit der Angst vor jeder Hürde. Natürlich kennt er den Parcours, aber den Sprung setzt er erst an, wenn er dicht vor der Hürde ist. Das Leben ist so was Ähnliches wie ein Hindernisrennen! Zwar länger und auch den Parcours kannst du nicht vorher studieren, und manchmal kommt es dir vor, als wärst du nicht der Reiter, sondern das Pferd, dem unterwegs die Puste ausgeht.
Wenn du aber während deines Hindernisrennens mal nicht so glatt über die Hürde kommst, oder vielleicht gar nicht, oder du fliegst aus dem Sattel und landest im Dreck, steh auf, klopf den Staub vom Kostüm und fang wieder von vorne an!
Einer meiner Wegweiser ist das Lied von Nat King
Cole: »Get yourself up, dust yourself off - and start all over again!«
Ich geb’s ja zu - ohne die sprichwörtliche Portion Glück kannst du dir den Hintern aufreißen, so viel du willst, du kommst trotzdem nicht wieder auf die Beine. Mein Glück war der Boss eines Kölner Duftwasserunternehmens. Glücklicherweise hatte er gerade Zoff mit einer amerikanischen Werbeagentur.
»Machen Sie mir eine neue, originelle Konzeption. Wenn Sie mich überzeugen, kriegen Sie den Auftrag für zwölf Spots im Fernsehen.«
Was ich ihm schickte, brachte mir den Auftrag, mit einem Münchner Produktionsteam die gewünschten zwölf Spots zu drehen. Die erste, schwere Hürde bei diesem Hindernisrennen war genommen. Wir hatten Luft.
Das mit dem dicken Fell ist so eine Sache. Du meinst, du hast es. Bist gewappnet gegen Gefühlsduselei. Nach allem, was das Leben für dich schon parat hatte, Bombennächte mit vielen Toten, Fronteinsätze mit noch mehr Toten, Kriegsgefangenschaft und was sonst noch alles. Da meinst du, dich könnte nichts mehr aus den Stiefeln heben. Denkst du...
Da sitze ich also eines Tages am Schreibtisch, ein
leeres Blatt Papier vor mir, zermarterte mir das Hirn für einen möglichst originellen Werbespot, mit dem die Fernsehzuschauer dazu verführt werden sollten, das Kölner Duftwasser literweise über sich zu schütten. Mir fiel verdammt noch mal nichts ein.
Unbemerkt schlich sich unser kleiner Sohn Thomas heran, stand einen Moment hinter mir. Er war grade mal zehn Jahre alt. Plötzlich legte er seinen Arm um mich, wie bei einem alten Kumpel und sagte: »Papi, die Mami hat gesagt, wir sind jetzt arm! Du brauchst mir kein Taschengeld mehr zu geben.«
Pause. Trocken schlucken. Dann riss es mich.
Ich nahm meinen Jungen in den Arm und heulte Rotz und Wasser. Was sollte mir noch passieren, mit so einer Familie im Kreuz?
Ich wollt’ ja nur...
Immer deutlicher wird, dass du das Altwerden fast vergessen kannst, wenn du in einer harmonischen, ergänzenden Partnerschaft lebst. In unserem Beruf nicht einfach: Du reist in der Weltgeschichte herum, triffst auf interessante Menschen und gerätst in mancherlei Hinsicht in Versuchung, und das manchmal nicht zu knapp. Komme mir keiner mit der Behauptung,
aus moralischen Gründen dagegen gefeit zu sein. Da brauchst du Hilfe, und die kann eigentlich nur vom Partner kommen. Am besten dergestalt, dass du ihn oder sie einfach mitnimmst. Immer und überall! Gelegenheit macht nicht nur Diebe, sondern auch Liebe. Also meine Familie war fast immer da, wo Versuchung angesagt war. So auch bei einem Film in Rom. Rom ist immer eine Versuchung, und schon gar an einem herrlichen Sonntag. Blauer Himmel über der Ewigen Stadt. Drehfrei - und die Familie aus dringenden Gründen tausend Kilometer weiter nördlich. Die Produktion hatte mir ein fürstliches Apartment in einem alten, römischen Patrizierhaus, fast ein Palast, zur Verfügung gestellt. Direkt an den Mauern des römischen Zoos.
Früh am Morgen, sehr früh, hungrige Tierstimmen weckten den Schläfer aus seinen Träumen. Elefanten trompeteten, in der hausgroßen Voliere pfiffen und krächzten die gefiederten Gefangenen ihre Sehnsucht nach Freiheit in den klaren, durch Maschendraht versperrten Himmel. Irgendwelche Huftiere wieherten ihrer verlorenen Wildbahn, irgendwo in Afrika, hinterher.
Das alles drang an diesem Sonntagmorgen durch schwere Brokatvorhänge in das antik dunkel eingerichtete Schlafgemach, in dem ich einem vermutlich
langweiligen Tag entgegendämmerte. Erst einmal Vorhänge zurück
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