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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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»Auseinandergenommenwerden« unbeeindruckt auf sich zukommen lässt. Bevor es so weit ist, treibt es dich umeinander wie einen aus der Hand geratenen Gartenschlauch. Du hast noch so viel zu regeln, für den Fall, dass...
    »Für welchen Fall?«
    »Für welchen wohl?«
    »Davon spricht man nicht. Du musst vertrauen!«
    »Wem?«
    »Den Ärzten!«
    »Warum lassen sie dich dann unterschreiben, dass du informiert bist, was alles passieren kann, einschließlich Löffelabgabe für immer. So steht es zwar nicht drin, aber das meinen sie wohl...?«
    »Dann vertrau auf Gott!«
    »Wenn der aber grade was Wichtigeres zu tun hat, als sich auf einen V4A-Edelstahltisch, im Klinikum Großhadern zu konzentrieren, auf dem einer ausgestreckt liegt, der an seiner Existenz gewisse Zweifel hegt...?«
    »Du bist unverbesserlich!«
    »Hoffentlich denken die Ärzte nicht auch so, wenn mein Innenleben offen vor ihnen liegt!«
    Endlich war es so weit. Schluss mit dem aufgesetzten Getue als Gefühlsathlet. Ich gebe zu, dass ich einen
gewaltigen Bammel vor der Operation hatte. Da halfen alle vorbereitenden Gespräche nichts.
    Am Tag vorher, es war der 23. März 2000, ging alles ganz undramatisch vonstatten.
    Aufnahme, Einweisung ins Zimmer, das Gespräch mit dem Oberarzt, das Gespräch mit dem Anästhesisten - das Gespräch mit dem Anstaltsseelsorger ließ ich ausfallen - dann kam noch die Verwaltung und ließ sich durch mehrere Unterschriften versichern, dass der Patient a) in der Lage und b) bereit sei, die zu erwartenden hohen Kosten zu begleichen.
    Als Allerletzter kam der »Halbgott in Weiß«, Prof. Dr. Bruno Reichardt. Er vermittelte den Eindruck, als habe er sich in seiner langen und überaus beachtlichen Karriere noch nie auf eine bevorstehende Operation so gefreut wie auf die morgen früh.
    »Damit Sie die Nacht gut schlafen, habe ich Ihnen ein Sedativ geben lassen. Und keine Angst, Sie sind in guten Händen!«
    Ich weiß auch nicht, warum mir plötzlich ein altes Kindergebet einfiel, als sich die Türe hinter ihm geschlossen hatte: »Guten Abend, gute Nacht,
    mit Rosen bedacht,
    mit Nädlein besteckt (oder sind es Näglein?
    So genau weiß ich das nicht mehr)
    schlupf unter die Deck.

    Morgen früh, wenn Gott will,
    wirst du wieder geweckt.«
    Wiederholung:
    Morgen früh, wenn Gott will,
    wirst du wieder geweckt!
    Hoffentlich will er!
    Ich lass das mal alles weg, den langen Weg vom Krankenzimmer in den Operationssaal, was sich dort so abspielte, die vermummten Gestalten, die um dich herumwieseln, bis es dann endlich so weit war, dass man mir das Bewusstsein nahm.
     
    Als sich das ganz langsam wieder regte, hatte ich ein Gefühl, als läge ich in einer Röhre oder in einem engen Tunnel. Am Ende der Dunkelheit strahlte ein helles Licht. Vielleicht der Eingang zu drüben...? Sollte da vielleicht doch was...?
    Plötzlich fing das Licht an zu sprechen. Ich verstand nichts, fühlte aber irgendwie, dass da eine Lichtgestalt mit mir in Kontakt treten wollte. Die Röhre, sie wurde weiter, eine Decke kam ins Bild, völlig verschobene Perspektiven, aber immerhin. Die Lichtgestalt wurde langsam deutlicher, wurde zu einem Menschen. Wie, um Himmels willen, kam denn der in die Röhre? Dicht über mich gebeugt, gab er Geräusche von sich, aus denen ich langsam Worte erkennen konnte.

    »Sie haben’s hinter sich, war ein bisschen schwieriger, als wir dachten, aber alles gut gegangen - Sie sind auf der Intensivstation - ich bin Ihr Arzt - ich weiß, Sie können nicht sprechen! Verstehen Sie mich?«
    Da war ich mir nicht so sicher, ich versuchte zu sprechen, was aber kläglich scheiterte. Aus meinem Hals hingen Schläuche. Nicht nur aus dem Hals, auch aus dem Bauch, und aus den Beinen. Es dauerte ein paar Tage, bis ich das alles verstand.
     
    Im ersten Gefühlsüberschwang, wieder aufgewacht und am Leben zu sein, gab ich dem Doktor den Namen: »Dr. Licht am Ende des Tunnels.« Aber wie zum Teufel sollte ich dem Doktor in meinem desolaten Zustand klarmachen, dass das zweite Gefühl war zu verdursten? »Dr. Licht am Ende des Tunnels« kannte sich aus.
    »Sie haben vermutlich großen Durst! Aber Sie dürfen noch keinerlei Flüssigkeit zu sich nehmen. Die Schwester wird Ihnen die Lippen befeuchten. Verstehen Sie mich?«
    Irgendwie hatte ich mitbekommen, dass ich wohl kein kleines, frisches, schäumendes Münchner Bier bekommen würde. Die Enttäuschung war so groß, dass ich seit dieser Zeit eine ausgesprochene Phobie
entwickelt habe. Alles, was ich

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