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Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge

Titel: Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fuchsberger
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tun, Autogramme zu schreiben. »You Bastard«, sagte er später nur, »du hast mich ausgetrickst.«
    Der Abschied in Berlin kam am nächsten Tag, und er wurde zur Lachnummer. Mit fast gleicher Abflugzeit von Tegel, Belafonte flog mit seiner Frau nach Paris, Gundel und ich flogen heim nach München. Für die Reise nach Berlin haben mir die Ärzte den Rollstuhl verordnet! Zuerst wollte ich nicht. Aber schnell war mir klar, wie viel einfacher das alles macht. Du
musst nirgends anstehen und geduldiges Schaf spielen. Du musst keine Treppen steigen, wirst an der Sicherheitskontrolle bevorzugt abgefertigt. Rollstuhl empfiehlt sich sehr.
    In dem saß ich nun. Die Betreuung schob mich durch die endlosen Gänge, zum Fahrstuhl, rauf in die VIP-Lounge. Das hatte schon ein bisschen was an sich vom bekannten Spießrutenlaufen. Die Lounge selber liegt diskret verborgen im ersten Stock. Die Türe konnte nur mit Schlüssel geöffnet werden. Man schob mich hinein - und keine zwei Meter vor mir saß Harry Belafonte - im Rollstuhl!
    Wir sahen uns an und fingen an zu lachen. Harry sagte etwas, ich verstand es nicht.
    »Was hast du gesagt?«, brüllte ich.
    Harry lachte immer noch: »Bist du taub?«, brüllte er.
    »Ja, fast«, brüllte ich zurück, holte mein Hörgerät aus dem Ohr und hielt es ihm entgegen. Er stutzte einen Moment, griff an sein Ohr und zog sein Hörrohr heraus.
    Da saßen wir alten Männer uns im Rollstuhl gegenüber und hielten unsere Hörgeräte in die Höhe und lachten Tränen.
    Nach wenigen Minuten kamen die Begleiter, um uns zu unseren Flugzeugen zu bringen. Wir sahen uns lange in die Augen, dachten wohl beide diesen
Augenblick lang darüber nach, ob wir uns im Leben noch mal wiedersehen werden?
    »So long - take care - God bless! Und danke für deine Freundschaft.«
    Dann schoben sie uns auseinander.
    Altwerden ist nichts für Feiglinge!
     
    Ob es dich mit einem harten Schicksalsschlag überrascht, in der Gestalt eines Arztes, der dir mitteilt, dass deine Tage wegen einer heimtückischen Krankheit gezählt sind, oder ob dich das Alter wie ein Moor verschluckt, in dem du langsam aber unaufhaltsam versinkst: Es ist eine Zäsur, eine unabänderliche Tatsache, mit der du dich auseinanderzusetzen hast.
    »Der Mensch ist ein Gewohnheitstier«, heißt es. Wohl wahr.
    Zum Beispiel gilt der deutsche Mann als außerordentlich liebevoll, ja geradezu liebestoll. Er ist geneigt, diese Liebe bis zur Selbstaufgabe zu treiben, sie höher zu stellen als die Liebe zu sich selbst - die Liebe zu seinem Auto. Sein »Ganz-egal-wie viel-Zylinder« ist ihm heilig. Dieses Blechgehäuse verwöhnt er, in ihm sieht er seine Mobilität, seine Freiheit. Die PS-Schleuder ist das Statussymbol des deutschen Mannes, Ausdruck seiner Wirtschaftskraft und seiner Potenz. Nimmst du einem deutschen Mann den
Führerschein, nimmst du ihm seine Persönlichkeit. Baust du keinen Mist, gehört dir dein Führerschein auf Lebenszeit. In Deutschland!
    »Mr. J.K. Fuchsberger, 38-42 Bridge Street, Bridgeport Apartments, Sydney 2000 N.S.W.«
    Der längliche Briefumschlag sah amtlich aus. Er war vom »Königlich-Australischen Transportverband«, zuständig für die Ausgabe und Überprüfung aller Klassen von »Driver Licences«.
    Dear Sir, stand da, sehr geehrter Herr J.K.F. Aus unseren Unterlagen ersehen wir, dass Sie demnächst 75 Jahre alt werden. Wir dürfen Sie daran erinnern, dass Ihre Lizenz vorher der Erneuerung bedarf. Ab dem 75. Lebensjahr müssen Sie sich einer gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchung unterziehen. Dazu gehören: Hörtest, Sehtest, Reaktionstest. Eine jährliche Fahrtauglichkeitsprüfung ist erst ab dem 80. Lebensjahr vorgeschrieben.
    Bitte bemühen Sie sich rechtzeitig um einen Termin bei einem unserer Prüfer.
    Ort und Zeit,
    Stempel, Unterschrift (unleserlich).
    Jetzt hatte ich es schriftlich, und von Amts wegen: Ich bin alt! Zumindest zu alt, um weiterhin ungeprüft mein Auto durch die Landschaft steuern zu dürfen. Das war nun ein herber Schlag. Völlig unerwartet.
Aber unausweichlich. Mit einiger Sorge verbrachte ich die Zeit bis zur angesetzten Prüfung vor den strengen Augen der meist asiatischen Angestellten und Mitglieder der mächtigen australischen Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Großes Gebäude, viele Leute, Blechtrommeln mit perforierten Abreißrollen. Auf den gezogenen Zetteln war eine Nummer, die irgendwann auf erleuchteten Glaskästen erschien, zusammen mit der Schalternummer, wo man sich zu

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